Anita Blake 10 - Ruf des Bluts
weil so viele Gestaltwandler bei uns waren. Jetzt wünschte ich, wir hätten sie in unserer Nähe gelassen.
Es wäre schön gewesen, aus der blutverschmierten Bluse rauszukommen, aber dazu war keine Zeit. Die Bösen kennen keine Pausen.
Das eigentliche Problem war, was tun mit Richard? Er würde mitkommen wollen, und ich wollte ihn keinesfalls in Miss Betty Schaffers Nähe haben.
Rechtlich gesehen durfte er die Bar betreten und sich neben sie setzen. Es gab keine Gerichtsanordnung, wonach er sich von ihr fernzuhalten hatte. Aber wenn der Sheriff den Eindruck bekam, dass wir die Stadt nicht verlassen wollten, würde er einen Vorwand finden, um Richard wieder hinter Gitter zü bringen. Ich glaubte nicht, dass er einen ähnlich angenehmen Aufenthalt hätte wie beim ersten Mal. Ihr Überfall heute war fehlgeschlagen. Jetzt waren sie frustriert und hatten Angst.
Diesmal würden sie Richard etwas antun. Womöglich sogar seiner Mutter. Charlotte Zeeman und ich würden uns mal miteinander unterhalten müssen. Und hier war ich mit Daniel einer Meinung: Ich würde lieber eine ausgewachsene Kneipenschlägerei durchstehen als ein Gespräch mit seiner Mutter. Wenigstens würde sie nie meine Schwiegermutter werden. Falls ich sie heute rausboxen musste, war das immerhin tröstlich.
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Schließlich fanden Richard und ich einen Kompromiss. Er kam mit, versprach aber hoch und heilig, im Wagen zu bleiben. Shang-Da, Jamil und Jason begleiteten uns, sie sollten dafür sorgen, dass er das auch tatsächlich tat. Aber wenn es hart auf hart käme, war nicht sicher, ob sie mehr auf mich als auf ihn hören würden, nicht einmal, wenn es zu seinem besten wäre. Mehr war nicht drin gewesen, und das musste reichen. Eine andere Wahl hatten wir nicht.
Der Happy Cowboy - der schlimmste Kneipenname, der mir je untergekommen ist - lag an der Überlandstraße. Das Gebäude hatte zwei Stockwerke und sollte aussehen wie ein Blockhaus, tat es aber nicht. Vielleicht lag das an dem Neonpferd mit dem reitenden Cowboy. Die Lichter suggerierten dir Illusion, dass sich das Pferd mitsamt Arm und Hut des Reiters bewegte. Der sah übrigens gar nicht glücklich aus, aber das lag vielleicht eher an mir. Ich war jedenfalls nicht glücklich, hier zu sein.
Richard saß am Steuer seines Allrad-Wagens. Er hatte sich am Ende doch noch die Haare geföhnt. Jetzt stand es ihm wie dicker welliger Schaum um Gesicht und Schultern. Das Ha
Jamil und Shang-Da saßen vorne in der Mitte. Jamil trug noch sein abgeschnittenes Smiley-T-Shirt, aber Shang-Da hatte sich umgezogen. Er war ganz in Schwarz, von den Mokassins über die Hose mit Gürtel, das seidene T-Shirt bis zum Jackett. Die kurzen Haare hatte er sich zu spitzen Stoppeln gegelt. Mit dieser Kleidung und der Frisur schien er sich wohlzufühlen. In der Kneipe allerdings würde er völlig deplatziert wirken. Natürlich konnte er, wenn es darum ging, nicht aufzufallen, sowieso nie gewinnen, weil er eins neunzig groß und Chinese war. Vielleicht war er es wie Jamil einfach leid, den Durchschnittsbürger zu spielen.
»Wenn ihr in fünfzehn Minuten nicht wieder draußen seid, kommen wir rein«, sagte Richard. »Dreißig Minuten«, korrigierte ich. Ich wollte ihn nicht mit Ms Schaffer zusammentreffen lassen. »Fünfzehn«, sagte er sehr ruhig, sehr leise, sehr ernst. Ich kannte diesen Ton. Mehr Entgegenkommen war nicht drin.
»Na schön, aber denk daran, dass du heute Abend vielleicht nicht allein im Gefängnis landest, sondern deine Mom mit dir.« Er riss die Augen auf. »Wovon redest du?« »Was würde Charlotte tun, wenn sie sieht, wie ihr kleiner Junge abgeführt wird?«
Er überlegte kurz, dann ließ er den Kopf sinken. Er drückte die Stirn aufs Steuerrad. »Sie würde kämpfen wie eine Löwin.« »Genau«, stimmte ich ihm zu.
Er hob den Kopf und sah mich an. »Um ihretwillen werde ich mich benehmen.« Ich lächelte. »Ich wusste, dass es nicht um meinetwillen sein würde.« Ich stieg aus, ehe er noch etwas sagen konnte.
Jason trat neben mich. Er rückte seine Krawatte zurecht und schloss den obersten Jackenknopf. Er hatte versucht, seine feinen Haare nach hinten zu gelen, aber sie widersetzten sich strähnchenweise jeder Anstrengung. Er hatte ganz glattes und sehr feines
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