Anita Blake 10 - Ruf des Bluts
Haar, und es hätte besser ausgesehen, wenn es wesentlich kürzer oder wesentlich länger gewesen wäre. Aber he, es war nicht meins.
An der Tür wurden wir von einem muskulösen Kerl in dunkelblauem T-Shirt kontrolliert. Die Gäste waren in etwa zweigeteilt. Da war die Röhrenjeans-Cowboystiefel-Fraktion und die Minirock-Blazer-Fraktion. Es gab ein paar Überschneidungen. Einige Frauen in Cowboystiefeln trugen Miniröcke, manche mit Blazer hatten Jeans an. Das war im Umkreis von zwanzig Meilen der einzige Laden, wo es Alkohol gab, und außerdem konnte man hier etwas essen. Wo sollte man sonst Freitagabend hingehen? Ich wäre lieber im Mondschein spazieren gegangen, denn ich trank nicht. Übrigens tanzte ich auch nicht, aber Jean-Claude arbeitete bereits an beidem. Korruption, wohin man sah.
Eine Band spielte Country-Musik, aber so laut, es hätte auch Hardrock sein können. Über allem schwebte Zigarettendunst wie ein spätnächtlicher Nebel. Der Eingang lag etwas erhöht, sodass man einen Blick über das Lokal werfen konnte, bevor man sich in das Meer der Leiber stürzte. Charlotte ist tatsächlich noch ein Stückchen kleiner als ich, darum gab ich mir keine Mühe, sie zu erspähen. Ich schaute nach Daniel. Wie viele Männer von eins dreiundachtzig mit welligen, schulterlangen Haaren konnte es hier geben? Mehr als man annehmen sollte.
Ich entdeckte ihn an der Bar, denn er winkte mir. Er hatte sich einen straffen Pferdeschwanz gebunden, weshalb es mir nichts genützt hatte, nach schulterlangen Haaren Ausschau zu halten. Er hatte fast die gleichen wie Richard, nur dass sie dunkler waren, satt kastanienbraun. Er war genauso braungebrannt wie er, hatte die gleichen hohen Wangenbögen und braunen Augen, sogar dieses Grübchen am Kinn. Richard war ein bisschen breiter in den Schultern, physisch eindrucksvoller, aber insgesamt war die Familienähnlichkeit erstaunlich. Alle Brüder sahen so
aus. Die beiden ältesten hatten kurze Haare, einer war nahezu blond und der Vater angegraut, aber die fünf Zeeman-Männer in einem Raum waren ein einziger Testosteron-Leckerbissen.
Und die Herrscherin über diesen Haufen männlicher Schönheit stand drei Schritte von ihrem Sohn entfernt. Charlotte Zeeman hatte kurzes blondes Haar und ein Gesicht, das mindestens zehn Jahre jünger wirkte, als sie meines Wissens war. Sie trug einen buttergelben Hosenanzug. Und sie stieß einer großen Blondine den Zeigefinger vor die Brust.
Die Blondine hatte eine Lockenmähne, aber ich war mir sicher, dass weder die Farbe noch die Locken echt waren. Das musste Betty Schaffer sein, und der Name passte gar nicht. Sie sah eher aus wie eine Farrah oder Tiffany.
Ich schob mich mit Jason im Schlepptau durch die Leute. Es war so voll, dass ich auf halbem Weg aufhörte, Verzeihung zu sagen, und mich einfach durchzwängte.
Ein großer Mann in einem bunt karierten Arbeitshemd hielt mich mit einer Hand an der Schulter auf. »Darf ich Ihnen ein Glas spendieren, kleine Dame?«
Ich griff hinter mir nach Jasons Hand und zog sie in die Höhe. »Verstanden. Tut mir leid.« Es gab mehr als einen Grund, weshalb ich Jason an einem Freitagabend in diese Kneipe mitnahm.
Er blickte auf Jason herab, demonstrativ, und baute sich vor uns auf. »Wollen Sie nicht ein bisschen was Größeres?« »Ich mag die Kleinen«, antwortete ich völlig ernst. »Es erleichtert den Oralsex.«
Das machte ihn sprachlos. Jason schüttelte sich vor Lachen, er konnte sich kaum auf den Beinen halten. Ich zog ihn an der Hand durch die Leute. Das war anscheinend Hinweis genug für die Anschluss suchenden Männer.
Vor der Theke standen die Leute nicht mehr so dicht. Rings um Charlotte, Betty und Daniel hatten sie Platz gemacht.
Daniel war hinter seine Mutter getreten und fasste sie an den Schultern, um sie wegzuziehen. Sie schüttelte ihn heftig ab und beachtete ihn nicht weiter. Er ließ es geschehen.
Charlotte ereiferte sich vor der Frau. Ich konnte inzwischen über die laute Musik hinweg einige Worte aufschnappen. »Lügnerin ... Hure ... mein Sohn ... Vergewaltiger ... « Charlotte wurde immer lauter.
Bettys Stilettostiefel brachten sie auf gute eins achtzig. Ihre Jeans waren bemalt, die Bluse bauchfrei, und sie trug keinen BH. Ihre Brüste waren klein genug, dass sie sich das leisten konnte, aber es fiel auf, und das war ihre Absicht. Sie sah aus wie eine Cowboynutte. Aber Richard war mit ihr ausgegangen. Da hätte ich ihm
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