Anita Blake 10 - Ruf des Bluts
ein.
Er kam auf mich zu. Ich sah weg. Mir war, als hätte mich jemand beim Restaurantessen ertappt, wie ich meinen Ex anstarre. Ich musste an einen Abend nach dem College denken, wo ich mit Freunden essen war und meinen Exverlobten mit seiner neuen Freundin sah. Er kam damals auf uns zu, als wollte er sie mir vorstellen. Ich flüchtete auf die Toilette und kam nicht wieder heraus, bis mir eine Freundin Bescheid gab, dass die Luft rein war. Das war vier Jahre her, und ich war geflüchtet. weil er mich verlassen hatte und mich gar nicht zu vermissen, schien. Jetzt wich ich nicht aus, aber nicht weil diesmal der Mann der Verlassene war, sondern weil mein Stolz mir nicht erlaubte, unter einem Vorwand durch die Bäume zu flüchten. In letzter Zeit hielt ich nicht mehr viel vom Wegrennen.
Also stand ich in der versilberten Dunkelheit und wartete auf ihn, während mir das Herz bis zum Hals schlug.
Jamil und Shang-Da beobachteten ihn, ohne ihm zu folgen. Offenbar hatten sie Befehl, dort stehen zu bleiben. Shang-Da war deutlich anzusehen, dass ihm das nicht passte. Er hatte sich nicht umgezogen, sondern war noch in demselben monochromen Aufzug wie vorher.
Einen halben Meter vor mir machte Richard Halt. Er sah mich an und schwieg. Ich konnte sein Gesicht nicht deuten, wollte aber nicht noch einmal in seine Gedanken eindringen.
Ich brach das Schweigen, indem ich losplapperte. »Es tut mir leid, Richard. Ich wollte diesen Übergriff gar nicht. Ich komme mit den Zeichen und der Abschottung noch nicht so gut klar.«
»Ist in Ordnung«, sagte er. Wie kommt es nur, dass Stimmen im Dunkeln immer viel intimer klingen als sonst? »Bist du mit Ashers Plan für heute Nacht einverstanden?«, fragte ich, nur um etwas zu sagen, während er auf mich herabblickte.
Verne hatte von Mira erfahren, dass Colin glaubte, Asher wolle seinen Platz einnehmen. Sie waren etwa im selben Alter. Colin war machtvoller, aber das mochte auch an den Bindungen liegen, die ihn zum Meister der Stadt machten. Ich hörte zum ersten Mal, dass es einem Vampir zusätzliche Kräfte verschaffte, wenn er Meister eines Territoriums war. Man lernt nie aus.
»Soweit ich weiß, muss Asher Colin überzeugen, dass er seine Position nicht will«, sagte Richard.
Asher hatte entschieden, dass das am besten ging, wenn er Colin weismachte, er sei in mich und Jean-Claude zu sehr vernarrt. Ich wusste nicht so recht, was ich davon halten sollte, wirklich. Aber wir stimmten alle zu, sogar Richard, dass die hiesigen Vampire nicht glauben würden, Asher sei nur mit dieser alten, sentimentalen Freundschaft glücklich und zufrieden.
In einer Hinsicht sind Vampire wie normale Leute: Sie glauben eher an sexuelle als an unschuldige Gründe. Der Tod ändert nichts an dem Charakterzug der Menschen, dass sie immer bereit sind, von jemand anderem das Schlechteste anzunehmen.
»Es geht mich nichts an, was du tust und mit wem du es tust, erinnerst du dich?« Sein Tonfall war viel neutraler als seine Worte. »Im Bad vorhin war ich verlegen. Du hast mich unvorbereitet erwischt.«
»Ich weiß«, sagte er. Er schüttelte den Kopf. »Wenn wir heute Nacht unsere Kräfte zusammentun sollen, dann müssen wir die Zeichen gebrauchen.« »Mira hat ihnen erzählt, du würdest nach einer neuen Lupa suchen. Sie wissen, dass wir kein Paar mehr sind«, sagte ich.
»Wir müssen nicht Häuslichkeit demonstrieren, Anita, sondern Macht.« Er hielt mir die Hand hin.
Ich starrte sie an. Als er mich das letzte Mal durch einen sommerlichen Wald führte, war das die Nacht gewesen, in der er Marcus tötete. Die Nacht, wo alles schiefgegangen war.
»Ich glaube nicht, dass ich schon wieder einen Waldspaziergang machen kann, Richard.«
Er schloss die Hand zur Faust. »Ich weiß, dass ich es damals nicht gut gemacht habe, Anita. Du hattest mich noch nie erlebt, wenn ich mich verwandle, und dann habe ich es gleich auf dir getan, sodass du nicht wegkonntest. Ich habe darüber nachgedacht. Ich hätte keine schlimmere Methode wählen können, dir zu zeigen, was ich bin. Das weiß ich jetzt, und es tut mir leid dass ich dich erschreckt habe.«
Erschreckt deckte es nicht so ganz ab, aber das sagte ich nicht laut. Er entschuldigte sich, und ich würde die Entschuldigung annehmen. »Danke, Richard. Ich wollte dir nicht wehtun. lch kam einfach ... «
»Nicht damit klar«, sagte er. Ich seufzte. »Nicht damit klar.« Er hielt mir die Hand hin. »Es
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