Anita Blake 10 - Ruf des Bluts
ohne dass einer von uns draufging. Wenn von Colins Leuten jemand drauf ging, würde mich das nicht stören. Im Gegenteil, ich freute mich darauf.
17
Ich lief durch eine Welt silberner Mondschatten und schwarzer Baumumrisse. Meine Absätze waren einigermaßen flach, und die Stiefel passten so gut, dass sie für einen Spaziergang im Wald gar nicht mal schlecht waren. Es lag nicht an der Passform irgendeines Kleidungsstücks, weshalb mir da draußen unbehaglich war, es lag an der Hitze und dem Lärm. Und ich schwitzte in den Kniekehlen unter den Nylons und dem Leder. Ich hatte mir von Jason eine Lederjacke geliehen. Sie verbarg die Mini-Uzi und die Ledertasche, die ich mir um die Schulter geschlungen hatte. Die Tasche gehörte Cherry, und darin war eine Dose Haarspray. In der Jackentasche hatte ich ein goldenes Feuerzeug. Das gehörte Asher. Die Nacht war viel zu warm für diese Jacke.
Das ganze Leder knautschte und ächzte bei jeder Bewegung. Unter anderen Umständen wäre es vielleicht reizvoll gewesen, aber jetzt war es ärgerlich. Wichtiger Sicherheitstipp: Versuchen Sie nicht, sich in neuen Ledersachen an jemanden anzuschleichen. Zumindest nicht an Leute mit übernatürlichen Gehör. Natürlich würden wir uns heute Nacht an niemanden anschleichen. Die Vampire wussten genau, dass wir kamen.
Vernes Leute hatten die Nachricht überbracht. Sobald Richard auf der Bildfläche erschien, wurde mein Misstrauen völlig ignoriert. Wenn Verne behauptete, er habe den Vampiren gesagt, wo und warum wir uns mit ihnen treffen wollten, dann glaubte Richard ihm natürlich. Ehrlich gesagt glaubte ich ihm auch, aber es nervte mich einfach, wie leicht Richard es ihm abnahm.
Klar, er besuchte Vernes Rudel seit einigen Jahren jeden Sommer. Sie waren miteinander befreundet. Ich respektierte Freundschaft. Ich verließ mich nur nicht immer darauf. Na gut, ich verließ mich nicht auf die Freunde anderer Leute. Ich vertraute auf mich selbst, weil ich meinem Urteil vertraute. Was wohl hieß, dass ich Richards Urteil noch immer nicht traute. Nein, tat ich nicht.
Ein Gedanke an ihn hatte genügt. Ich spürte ihn neben mir wie einen Geist, der mit mir durch die Sommernacht spazierte. Einen Moment lang glaubte ich wirklich, er ginge neben mir. Ich fühlte den Rhythmus seiner Bewegungen. Als ich mich von dem Bild löste, stolperte ich ein paar Schritte benommen vor mich hin.
Zane nahm meinen Arm. »Alles in Ordnung?«
Ich nickte und entzog mich ihm. Ich kannte ihn noch nicht so gut. Wenn ich die Wahl habe, verzichte ich meist auf Körperkontakt mit Leuten, die ich nicht kenne. Doch im selben Moment, wo ich den Arm wegzog, rückte er von mir ab. Ich wusste auch ohne Magie, dass ich ihn damit gekränkt hatte. Ich war seine Nimir-Ra und sollte ihn mögen oder ihn zumindest nicht ablehnen. Ich wusste nicht, ob eine Entschuldigung die Sache verbessern oder verschlimmern würde, also sagte ich nichts.
Zane ging weiter und ließ mich allein laufen. Er trug die Lederhose mit der Weste und den Stiefeln, die er schon im Flugzeug angehabt hatte. Schon seltsam, wie gut seine persönlichen Sachen für heute Nacht passten.
Richard blieb stehen und blickte über die paar Meter, die uns trennten, zu mir zurück. Er war ganz in Schwarz gekleidet: Lederhose und ein Seidenhemd, das an seinen kräftiger gewordenen Muskeln klebte. Er hatte Gewichte gestemmt, seit Jean-Claude zuletzt bei ihm Maß genommen hatte. Da stand er nun in dieser Farbe, die ich noch nie an ihm gesehen hatte. Der Mond schien hell genug, dass ich sein Gesicht gut erkennen konnte, nur die Augen lagen im Dunkeln. Selbst auf die Entfernung konnte ich ihn heiß in meinem Körper spüren.
Vorhin noch hatte Asher in meinem Unterleib eine kurze Spannung ausgelöst. Aber jetzt, wo ich in dem warmen, sommerlichen Wald stand, sein Leder- und Seidenzeug im Mondlicht schimmern, seine Haare wie eine weiche Wolke um die Schultern gleiten sah, drückte es mir die Brust zu, und ich war den Tränen näher als der Begierde, weil er nicht mehr mir gehörte. Ob es mir gefiel oder nicht, ob ich wollte oder nicht, ich würde es immer bedauern, dass ich nicht mit Richard zusammen gewesen war. Ich hatte in der Vergangenheit andere Gelegenheiten gehabt, mit Männern zusammen zu sein, aber ich hatte noch nie bedauert, nein gesagt zu haben. Tatsächlich hatte ich sogar immer das Gefühl gehabt, noch mal davongekommen zu sein. Nur Richard flößte mir Bedauern
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