Anklage
teuer.«
»Mein lieber Kollege, ich muss doch bitten. Ihren Zynismus finde ich nicht angebracht angesichts Ihrer Situation.«
Ein beängstigendes Gefühl beschlich mich und ich brach dieses seltsame Telefonat ab, indem ich einen dringenden Termin vorschob. Ich versuchte einfach, diesen Anruf zu vergessen, und stürzte mich in die Arbeit.
Spätabends verließ ich die Kanzlei, und als ich mit meinem Wagen aus der Tiefgaragenausfahrt in den belebten Boulevard einbog, schenkte ich dem silbergrauen Kombi am Straßenrand, der sich parallel zu mir in den laufenden Verkehr einordnete, keine besondere Aufmerksamkeit. Nach einer Fahrzeit von etwa 15 Minuten kam ich zu Hause an. Die Parkplatzsituation war wie in allen Großstädten katastrophal, sodass ich ein paar Mal um den Block fahren musste, um endlich ein paar Straßen weiter mein Auto abstellen zu können. Den Weg zurück zur Wohnung ging ich zu Fuß. Auf diesem Weg passierte mich wieder der silbergraue Kombi. War es das gleiche Fahrzeug wie das, das ich vor der Kanzlei gesehen hatte? War mir jemand gefolgt? Etwa 30 Meter vor dem Eingang zu dem Haus, in dem meine Wohnung war, kamen mir drei Männer entgegen. Als mich der Erste passierte, rempelte er mich mit seiner Schulter heftig an. Bevor ich noch etwas sagen konnte, hatte ich auch schon die Schulter des Zweiten abbekommen. Dann blieben die drei so stehen, dass ich mich zwischen ihnen befand. Mit osteuropäischem Akzent verlangte der Dritte nach meiner Brieftasche und meinem Geld. Sofort gab ich heraus, was er verlangte, mir blieb keine andere Wahl. Er durchsuchte meine Brieftasche, nahm das Geld und die Karten heraus. »Gib Handy. Jetzt!«, schob er einen unmissverständlichen Befehl hinterher. Ich hielt ihm mein Handy hin. Er nahm es, aber anstatt es einfach einzustecken warf er es mit voller Wucht an die angrenzende Hauswand, wo es in Tausende Einzelteile zerbarst. Dann kam er zur Sache: »Wir sollen dir gute Gruß sagen«, zischte er. Der Rest ging blitzschnell. Plötzlich spürte ich einen stechenden Schmerz in meiner rechten Seite von einem
wuchtigen Schlag des Mannes rechts von mir. Ich ging zu Boden und nahm sofort die Hände vor mein Gesicht, um mich vor den weiteren Schlägen zu schützen. Noch drei weitere Schläge auf Körper und Hände trafen mich, dann war Ruhe. Ich blieb weiter zusammengekauert liegen. Durch den Schmerz und die Furcht vor weiteren Schlägen war ich wie erstarrt. Als ich schließlich vorsichtig den Kopf hob, war von den Tätern nichts mehr zu sehen.
»Alles o.k.?« Eine feste Stimme sprach mich an. Es war einer von zwei Polizisten, die eben aus ihrem Wagen stiegen. In diesem Moment war ich heilfroh, in einem Viertel zu wohnen, das als gut bürgerlich galt, dessen Bewohner nicht zu den Ärmsten zählten und das für Einbruchdiebstähle anfällig war. Hier fuhr die Polizei in unregelmäßigen Abständen, aber relativ häufig Streife. »Brauchen Sie einen Krankenwagen?«
»Nein, nein. Alles o.k. soweit«, versicherte ich. Im Augenblick fühlten sich die Schmerzen nicht schlimm an; ich sehnte mich nach der Geborgenheit meiner Wohnung und wollte auf keinen Fall ins Krankenhaus.
»Möchten Sie Anzeige erstatten?«
»Heute nicht mehr. Ich komme morgen früh aufs Revier. Momentan will ich nur nach Hause.«
»Das können wir nur zulassen, wenn Sie o.k. sind. Sonst bringen wir Sie in ein Krankenhaus.«
»Nein, ist schon gut. Versuchen Sie lieber die Täter zu stellen. Das ist mir wichtiger. Ich komme dann morgen vorbei.«
Die Täter waren längst über alle Berge und ich wusste das auch. Schließlich waren das Profis gewesen.
Während sich der Polizeiwagen langsam entfernte, kletterte ich mit wackligen Knien die Treppe zu meiner Wohnung hinauf. Ich schloss auf und sackte unmittelbar hinter der Tür auf den Boden. Mit dem Rücken lehnte ich an der Wohnungstür, die Beine ausgestreckt. Die Schmerzen waren doch stärker, als
ich zugeben wollte. Ein Überfall, auf mich. Und das in einer sicheren Gegend wie hier! Der Gruß war deutlich gewesen. Und ich hatte ihn heute schon zuvor gehört, am Telefon, von meinem berühmten Kollegen. Für mich war die Sache klar, auch wenn ich sie nicht beweisen konnte. Wie weit werden die wohl noch gehen und woher wissen sie überhaupt, was mein Mandant ausgesagt hat? Mich beunruhigte, wie schnell solche Informationen offensichtlich die Runde machten.
In dieser Nacht fand ich keinen Schlaf, zu sehr beschäftigten mich die Ereignisse. Als am nächsten Tag der
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