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Anklage

Anklage

Titel: Anklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Schollmeyer
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Abläufe und die Werbung, buchte die Hotels und trat nach außen als Boss auf. Er hatte die Rolle des Bosses, die ihm ein Gefühl der Macht gegeben habe, genossen; er habe sich regelrecht unbesiegbar gefühlt. Das Geld habe seine Geliebte verwaltet und sie wäre es auch gewesen, die immer einen Betrag an die Absender der Frauentransporte geschickt hatte.
    An dieser Stelle hakte der Staatsanwalt ein. »Und wer genau waren die Zulieferer?«
    »Es waren immer irgendwelche Russen, zumindest den Namen nach. Alle Gespräche waren auf Russisch, ich habe kein Wort verstanden. Gesehen habe ich keinen von ihnen.«
    Der Staatsanwalt notierte jede Einzelheit. »Das ist noch etwas dürftig, wenn man bedenkt, was Ihnen vorgeworfen wird und dass Sie mit Ihrem Geständnis aus dem Gefängnis wollen.« Ich durfte mir meine Verärgerung über die Verhandlungstaktik des Staatsanwalts nicht anmerken lassen, um nicht das gesamte
Ergebnis zu gefährden. Also lächelte ich und sagte höflich: »Was genau wollen Sie denn hören? Wenn mein Mandant das weiß, kann er es Ihnen vielleicht noch liefern.«
    »Namen, Anschriften und Tatzeiten. Namen der Opfer«, diktierte der Staatsanwalt seine Wünsche.
    »Das ist aber etwas unrealistisch, wenn man bedenkt, dass mein Mandant eher für die Hilfsarbeiten zuständig war. Außerdem hat er Ihnen doch gesagt, dass die meisten Gespräche auf Russisch waren und er niemanden zu Gesicht bekommen hat. Den wesentlichen Teil hat doch seine Geliebte gemacht, wie soll er denn das wissen, was Sie wissen wollen?«
    »Hören Sie bitte auf! Keine Spielchen, sonst sind wir hier ganz schnell am Ende. Entweder, Ihr Mandant spricht über die Hintergründe und Hintermänner, oder ich stehe auf und Ihr Mandant schmort weiter hier. In der Verhandlung vor Gericht gibt es dann keine Schonung.«
    Die Sache schien aus dem Ruder zu laufen. Das wäre auch mein berufliches Ende gewesen. Der berühmte Kollege hätte gewonnen: mein Mandant als angeblicher Hauptschuldiger und ich aus dem Weg geräumt. Ich hatte zwar noch einen Trumpf in der Hinterhand, aber den hatte ich eigentlich nicht so früh ziehen wollen. Doch mir blieb nichts anderes übrig: Ich musste meinen letzten Angriff aufbieten. Dieser Trumpf hatte einen entscheidenden Haken: Er war die Wahrheit. Und wenn der Staatsanwalt die nicht glaubte, dann würde es zappenduster.
    Mit feuchten Händen und gehörigem Magengrummeln ergriff ich das Wort: »Aber was ist, wenn die Geliebte selbst der Hintermann oder besser die Hinterfrau wäre und nur die Liebe und die Eitelkeit meines Mandanten ausgenutzt hätte?«
    »Dann sollten Sie das auch gefälligst mit Fakten untermauern. Ich habe wirklich keine Lust, Ihnen alles aus der Nase zu ziehen. Und viel Zeit habe ich auch nicht mehr.«

    Na wenigstens etwas. Der Staatsanwalt hat die wahre Geschichte nicht gleich als unglaubwürdige Lüge abgetan. Allerdings lag es nun bei meinem Mandanten, uns beide zu retten. Mein Mandant hatte verstanden. »Alles Geld hat immer sie behalten, ich habe nie mitgekriegt, dass sie es weitergegeben hat. Und das hätte sie doch, wenn sie nicht der Kopf des Ganzen ist.«
    Der Staatsanwalt notierte wieder. In gereiztem Ton stellte er die nächste Frage: »Wo hat sie das Geld hingetan?«
    »Genau weiß ich das nicht, aber sie hat mir was von einer Wohnung erzählt in einer anderen Stadt. Vielleicht hat sie die abbezahlt.«
    Mein Mandant erzählte alles, was in seiner Erinnerung über die Wohnung seiner ehemaligen Geliebten abgespeichert war. Sogar die Adresse wusste er. Ich war erstaunt.
    Die Besprechung endete damit, dass der Staatsanwalt ankündigte, die Wohnungsgeschichte anhand des Grundbuchs zu überprüfen. Er war der Meinung, am übernächsten Tag erste Ergebnisse zu haben. »Ich hoffe sehr, dass Sie mich nicht angelogen haben. Darauf reagiere ich extrem allergisch.«
    Mein Mandant wurde in seine Zelle zurückgebracht. Ich fuhr zurück ins Büro.

27
    Zwei Tage nach der Besprechung im Gefängnis klingelte das Telefon. Der Staatsanwalt war dran: »Wir haben tatsächlich anhand der Beschreibungen Ihres Mandanten eine Wohnung gefunden. Auch die Geschichte mit der Finanzierung der Wohnung scheint sich zu bestätigen. Wir haben eine Bank ermittelt, die alles finanziert hat. Und von der haben wir gehört, dass die Wohnung in weniger als zwei Jahren fast abbezahlt wurde - durch unregelmäßige Bareinzahlungen verschieden hoher Beträge. Wir vermuten, dass die Zahlungen so erfolgt sind, wie das Geschäft eben

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