Ankunft Der Woelfe
englisch aus, nicht wie Kubus.«
»Machen Sie sich keine Sorgen! Werden Sie schnell wieder gesund!« In Gedanken sah sie Doktor Singh vor sich. Einen blassen Rechtsmediziner, den sie erst vor wenigen Tagen kennengelernt hatte. Sie hatte den Eindruck, der Krebs hatte bereits über ihn gesiegt. Dunkle Schatten hatten unter seinen Augen gelegen.
»Wie kommen Sie mit Professor Steinmeier klar?«
»Bestens.«
»Dann noch einmal danke und Ihnen ein schönes Wochenende.«
»Ihnen auch.«
Sie legte auf und fragte sich, wo der angekündigte Kriminologe blieb, dem sie stellvertretend für Doktor Singh medizinische Fragen an einer Toten erklären sollte.
Zum ersten Mal seit ihrer Studienzeit befand sie sich wieder in der Rechtsmedizin. Die nüchterne Atmosphäre des weiß gekachelten Raumes kam ihr vertraut vor. Sie hatte das Gefühl, hier sinnvolle Arbeit verrichten zu können, wenn sie nur auf die Zeichen der Toten genügend achtete.
Eva lauschte in die Stille des Sektionssaals und zupfte am grünen Laken. Der studentische Assistent war verschwunden. Raucherpause?, wunderte sie sich. Eigentlich ein Fauxpas, sie als Vertreterin für Doktor Singh hier alleine warten zu lassen.
Auf Zehenspitzen ging sie zum Kopfende. Behutsam schlug sie das Laken zurück und blickte in das weiße Antlitz einer dreißigjährigen Frau. Ihre Finger glitten sanft über das wachsartige Gesicht der Toten. »Sprich zu mir!«, flüsterte sie. »Was kannst du mir erzählen?«
»Was machen Sie da?«, erklang hinter ihr die scharfe Stimme von Professor Steinmeier.
Erschrocken wich sie zurück und drehte sich zu ihm um.
Steinmeier trug einen beigen Kaschmirmantel und wickelte einen roten Seidenschal mit Paisleymuster um den Hals.
»Doktor Palmer, Sie wissen doch, dass Sie die Toten nur mit Schutzhandschuhen berühren dürfen. Wo kämen wir hin, wenn jeder, der hier durchkommt, seine Fingerabdrücke auf den Leichen hinterließe.«
»Entschuldigen Sie bitte.« Verlegen blickte sie auf die Nitrilhandschuhe, die sie auf der Ablage vergessen hatte.
»Was machen Sie eigentlich noch nach dem Vortrag hier?« Er zog belustigt eine Augenbraue hoch.
»Es gab eine Anfrage wegen der Hand der Toten. Doktor Singh bat mich, auch das zu übernehmen. Es kommt gleich ein Kriminologe.«
»So, wer denn?« Steinmeier wickelte ein Hustenbonbon aus.
»Sonderermittler Cube!«
Steinmeiers Augenbrauen schoben sich zusammen. »Ach, diese Nervensäge. Was will er denn wissen?«
Eva zupfte am Handschuh und zwängte die Finger hinein.
»Nur ein paar medizinische Details.«
»Wir sind hier doch kein Studierklub. Wenn das nichts mehr mit dem Fall zu tun hat und der abgeschlossen ist …«
»Ja, es geht wohl nicht um den Selbstmord dieser Frau. Herr Cube will wissen, warum die Hand der Toten so merkwürdig verkrampft ist. Er sucht nach weiteren Begründungen für seinen Abschlussbericht. Ob sie möglicherweise etwas in der Hand gehalten hat.«
»Und was werden Sie ihm sagen?«
»Das, was Doktor Singh mir aufgetragen hat und was bereits im Gutachten steht: Es war eindeutig Selbstmord. Tabea Niemann hatte Depressionen. Die Toxikologen haben einen ganzen Cocktail an Barbituraten und anderen Schlafmitteln in ihrem Blut gefunden. In der Hand hatte sie nichts gehalten. Tatsächlich sind die Finger aufgrund einer Sehnenverkürzung leicht verkrümmt.«
Sie hielt inne.
Der Leiter der Rechtsmedizin betrachtete sie offensichtlich amüsiert.
»Reden Sie weiter! Wussten Sie schon, dass Sie eine sehr klangvolle Stimme haben?«
Eva kniff die Augen zusammen. Ihr war bewusst, dass ihre Iris herausfordernd grün funkelte, wenn sie sich ärgerte. »Entschuldigung, aber das wissen Sie ja selbst alles.«
»So ist es.« Steinmeier drehte sich um. »Nett, dass Sie so kurzfristig eingesprungen sind. Die Oper wartet. Schönes Wochenende.«
Er hob die Hand, und die Geste sah aus wie eine Mischung aus Winken und Abwehren. Mit schnellen Schritten ging er zur Tür.
Es stimmte also, was Singhs Sekretärin ihr zugeflüstert hatte, Professor Steinmeier hatte ein Problem mit dem Kriminologen Cube. Die beiden konnten sich nicht leiden.
»Doktor Palmer.« Steinmeier war im Türrahmen stehen geblieben und blickte sich noch einmal um.
»Ja?«
»Sie wissen ja, demnächst wird bei uns eine Stelle frei. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht? Ich habe mir Ihren Werdegang angesehen. Beachtlich. Sie würden hier gut reinpassen.«
Eva drehte sich ruckartig ein Stück und stieß gegen den
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