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Anlass

Anlass

Titel: Anlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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Informationen von anderer Seite haben. Und der Rest der Information war schon altbacken, ehe Sie in dieses Land kamen. Sie konnten das also auch nicht allein herausgefunden haben. Sie werden darum wie der Teufel hinter der ganzen Sache her sein. Und deshalb müssen Sie so schnell wie möglich aus dem Lande.«
    Eine Weile sagte ich nichts. Ich war sprachlos. Ich spürte, wie es mir kalt im Leibe wurde. »So schnell wie möglich aus dem Lande.« Es war eine schreckliche Unerbittlichkeit in den Worten. Mir wurde plötzlich klar, in welcher Patsche ich saß. Ich scheute instinktiv davor zurück. Mein Gott, worauf hatte ich mich da eingelassen!
    Ich versuchte, die Dinge in ein angenehmeres Licht zu rücken. Schließlich begann ich mit Zaleshoff zu streiten, um ihn zu einer gemäßigteren Auffassung zu überreden. Ich wollte ihn dazu bringen, die Gefahr zu verkleinern. Aber ich hatte nur Schiß, und er fiel nicht darauf herein.
    »Es hat keinen Zweck«, sagte er schließlich. »Ich werde nicht zu schwarz ›mattgrau‹ sagen, nur weil es Ihnen besser gefällt. Sie sind in der Klemme. Ich glaube, ich kann Sie herausziehen. Ich werde dazu tun, was ich kann, weil ich mit dazu beigetragen habe, daß Sie hineingerieten. Aber Sie müssen tun, was ich sage. Es wird nicht leicht sein. Wenn wir ein, zwei Nächte nicht schlafen werden, so ist das unangenehm, aber Sie müssen sich damit abfinden. Wenn wir nur den Schlaf einbüßen, ehe wir durch sind, kommen wir billig davon.«
    Ich hörte das nicht gern.
    »Schlimmstenfalls«, sagte ich und stellte mich sehr mutig, »sitzen wir halt ein paar Jährchen Gefängnis ab.«
    Das war ebensogut eine Frage wie eine Feststellung. Kaum hatte ich es gesagt, so fürchtete ich schon, daß er die Frage beantworten würde, und er tat es auch.
    »Gefängnis? Ja – vielleicht.«
    »Was meinen Sie mit ›vielleicht‹?«
    »Man hat hierzulande eine Formel für solche Fälle. Sie heißt: ›Erschossen beim Versuch, sich der Verhaftung zu entziehen‹.«
    »Wenn man sich aber gar nicht entziehen will?«
    »Dann«, sagte er ruhig, »läßt man Sie niederknien, schießt Ihnen eine Kugel durchs Genick und nennt das: ›Auf der Flucht erschossen‹.«
    Ich lachte. Nicht sehr überzeugend, aber ich lachte. Ich glaubte, er wolle mir Angst einjagen.
    »Zeitungsgeschwätz«, sagte ich.
    Er zuckte die Achseln. »Mein Freund, wenn Sie über den Gesetzen stehen, wenn Sie das Gesetz sind , dann hat der Satz, daß der Zweck die Mittel heilige, eine konkrete Bedeutung. Versetzen Sie sich in ihre Lage. Wenn Sie fühlten, daß der Staat, den Sie über Ihren Gott setzen, durch das Leben eines unbedeutenden Mannes gefährdet ist, würden Sie dann zögern, ihn zu erschießen? Ich sage Ihnen Nein. Das ist das Gefährliche am Faschismus, an der Vergötterung des Staates. Er geht von einer absoluten, einer egozentrischen Einheit aus. Die Staatsidee ist nicht in den Massen verankert, sie geht nicht vom Volke aus. Sie ist eine abstrakte, eine Gottesidee, ein psychischer Misthaufen, der aufgehäuft worden ist, um ein ökonomisches System zu stützen, das nichts mehr taugt. Wenn Sie auf einem solchen Miststock stehen, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Ziele in Wirklichkeit gut oder schlecht sind. Allein die Tatsache, daß es Ziele sind, macht sie gut – für Sie.«
    Ich hörte ihm kaum zu. Ich versuchte, Ordnung in meine Gedanken zu bringen. Claire! Was hätte sie getan? Aber Claire war nicht hier. Jedenfalls wäre sie zu klug gewesen, um sich in eine solche Sache einzulassen. Ich versuchte, meine Gedanken in eine neue Richtung zu lenken, aber sie kehrten immer wieder an den selben Punkt zurück. Ich dachte im Kreis. In Verzweiflung wandte ich mich wieder Zaleshoff zu.
    Er zerdrückte mit viel Bedacht ein Stück Zucker auf dem Boden seiner Kaffeetasse.
    »Nun, und?«
    Er warf mir einen schnellen Blick zu, dann legte er den Löffel nieder, fuhr mit der Hand in die Tasche und zog eine Karte Norditaliens heraus. Er breitete sie vor mir auf dem Tisch aus. Mit einem Bleistift deutete er auf einen Punkt östlich von Treviglio.
    »Wir sind ungefähr hier. Wir könnten nun versuchen, Como und die Schweizer Grenze zu erreichen. Aber damit würden wir genau das tun, was sie von uns erwarten. Selbst wenn wir bis Como kämen, würden uns die Seepatrouillen schnappen. Ich schlage vor, daß wir die jugoslawische Grenze zwischen Fusine und Kranjska zu erreichen versuchen. Wir können den größten Teil des Weges in Nachtzügen

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