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Anlass

Anlass

Titel: Anlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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zurücklegen und schlafen. Während des Tages können wir auf Feldwegen gehen, um dann an einem anderen Punkt wieder die Eisenbahn zu erreichen. Das kostet aber Geld. Die Züge sind hier teuer, außer wenn man die Touristenermäßigung bekommt, und darum können wir nicht gut ansuchen. Ich habe etwas mehr als Sie, aber es macht für uns beide nur fünfzehnhundert Lire aus. Das ist nicht genug. Ehe wir von hier aufbrechen, werde ich Tamara telefonieren und ihr sagen, sie soll uns Geld nach Udine schicken. Dann werden wir querfeldein zur Bahnstrecke südlich des Gardasees gehen, nach Desenzano. Was halten Sie davon?«
    Schweigen.
    »Gut«, sagte ich grimmig. »Wenn Sie es wirklich wissen wollen, das war wohl das krasseste Understatement, das ich je gehört habe. Es klingt wie ein Sonntagsausflug. Und in Udine wird Tante Tamara die Kuchen austeilen.«
    Er runzelte die Stirn und wollte etwas entgegnen.
    »Aber«, fuhr ich in entschiedenem Ton fort, »wir wollen jetzt nicht davon sprechen. Was ich wissen möchte, ist, warum Sie ausgerechnet die jugoslawische Grenze wählen. Warum gehen wir nicht nach Frankreich oder nach Deutschland?«
    Er zuckte die Achseln. »Genau das werden sie von uns erwarten.«
    »Ich verstehe. Die Grenzen nach Frankreich, Deutschland und der Schweiz werden von Soldaten wimmeln, die jugoslawische Grenze wird aber verlassen wie die Wüste Sahara sein. Habe ich recht?«
    Er grinste. »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Nein«, erwiderte ich verärgert, »aber Sie würden es gern. Ich nehme an, die Tatsache, daß wir auf die jugoslawische Grenze lossteuern, hat nichts damit zu tun, daß Vagas in Belgrad ist? Oder damit, daß ich ohne Paß weder von Frankreich noch von Deutschland noch von der Schweiz aus nach Jugoslawien gehen könnte, ohne vorher in London eidesstattliche Erklärungen oder was weiß ich abgegeben zu haben?«
    Er wurde rot. »Was regen Sie sich wegen einer solchen Lappalie auf?«
    Wütend schimpfte ich weiter. »Lappalie? Zum Teufel, Zaleshoff, alles hat seine Grenzen.«
    Er beugte sich streitsüchtig vor.
    »Warten Sie einen Augenblick! Vergessen Sie nicht, daß Sie fast zweihundertfünfzig Dollar von Vagas einzukassieren haben. Es wäre für Sie nur natürlich, wenn Sie nach Belgrad gingen, um sie einzufordern. Er wird Ihnen sicher glauben, daß Sie abgebrannt sind. Sie werden’s übrigens auch sein, wenn Sie in Belgrad sind. Nebenbei, was macht es schon aus? Sollten Sie erwischt werden, so wird es Ihnen nichts nützen, wenn Sie den Leuten erklären, daß Sie ihnen keine Mühe mehr machen wollen. Sie haben eine Arbeit angefangen. Warum sie nicht zu Ende führen?«
    Ich sah ihn mürrisch an. »Ich habe einmal einen Narren aus mir gemacht. Ich sehe nicht ein, warum ich das noch einmal tun soll.«
    Er starrte auf das Tischtuch. »Ist es Ihnen klar«, sagte er langsam, »daß Sie ohne mich geliefert sind? Sie haben nicht genug Geld. Innerhalb achtundvierzig Stunden wird man Sie erwischt haben. Sehen Sie das ein?«
    »Ich werde nicht warten, bis man mich fängt.«
    Er starrte noch immer auf das Tischtuch.
    »Wird Sie nichts von diesem Vorsatz abbringen?«
    »Nichts«, sagte ich entschlossen.
    Doch ich irrte mich.
    Der Wirt war nicht im Zimmer, aber in der Ecke der Bar hatte das Radio leise einen argentinischen Tango gespielt. Plötzlich hörte die Musik auf. Aus dem Lautsprecher kam ein leichtes Zischen, dann begann der Ansager:

    Wir unterbrechen das Programm auf Ersuchen des Innen-Ministeriums und ersuchen alle Hörer auf einen Ausländer zu achten, der sich der Aufsicht der Mailänder Polizei entzogen hat. Er wird wegen ernster Beschuldigungen gesucht, die für jeden vaterlandsliebenden Italiener von Bedeutung sind. Eine Belohnung von zehntausend Lire, zehntausend Lire, wird der Person gezahlt werden, die über seinen Aufenthaltsort Auskunft geben kann. Man vermutet, daß er sich als Engländer namens Nicholas Marlow ausgibt. Hier ist die Beschreibung des Mannes …

    Zaleshoff ging zum Apparat hinüber und stellte ihn auf eine andere Station ein. Er kehrte zum Tisch zurück, setzte sich aber nicht nieder.
    »Kein schlechter Preis, Marlow, durchaus kein schlechter Preis. Man erweist Ihnen viel Ehre.«
    Ich antwortete nicht.
    Er seufzte. »Nun, vermutlich wollen Sie sich jetzt mit der Ortspolizei in Verbindung setzen. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen.«
    Mit Ausnahme des Radios herrschte Schweigen im Raum. Ich sah, wie er durch den Raum ging und das Capri-Plakat studierte.
    »Wenn Sie

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