Anlass
gar keinen Fall. So leid es mir tut.«
»Kriegsgeschick«, meinte er und zerrte an seinem Kragen. »Warten Sie mal. Fitch braucht dringend einen Assistenten, und mir scheint doch …«
»Moment, Mr. Pelcher«, unterbrach ich ihn. »Ich glaube, ich muß Ihnen sagen, daß man mir eine Stelle angeboten hat und ich zugesagt habe. Ich gehe als Betriebsingenieur in einen der Zweigbetriebe von Cator & Bliss. Wahrscheinlich hätte ich Ihnen das vorher sagen sollen, aber ich nahm an …«
»Daß wir Sie im Stich lassen würden?« Es schien ihn ein wenig verletzt zu haben, aber ich sah auch Erleichterung in seinem Blick.
»Das nicht gerade, Sir, aber ich bin zur Überzeugung gekommen, daß ich mich mehr für einen Posten im Werk eigne.«
»Einmal Ingenieur, immer Ingenieur, was? Nun, ich kann das verstehen.« Für einen Moment glaubte ich einen Schatten über sein Gesicht huschen zu sehen, aber es war wohl bloß Einbildung. Er stand auf. »Nun, mein Bester, es tut uns leid, daß wir Sie so schnell wieder verlieren, aber wir dürfen Ihrer Karriere wohl nicht im Wege stehen. Zudem«, fügte er jovial hinzu, »haben wir eben begonnen, Cator & Bliss mit S 2 Maschinen zu beliefern. So werden wir uns also nicht aus den Augen verlieren.«
»Nett, daß Sie es so sehen.«
»Unsinn, mein Guter. Das Finanzielle regeln Sie mit Fitch. Sie können ihn in der Zeit, die Sie noch bei uns sind, mit den Details der Mailänder Sache vertraut machen, damit er mir einen Bericht geben kann. Unterdessen« – er hielt mir die Hand hin – »wünsche ich Ihnen viel Glück.« Wir schüttelten einander herzlich die Hand. Ich bedankte mich nochmals, und wir traten zur Tür.
»Übrigens,« sagte er plötzlich, »ich hätte gerne gewußt, was Sie als Techniker von meinem neuen Driver halten. Fitch ist ja skeptisch, aber Sie wissen ja, wie diese Profis sind. Da Sie selbst nicht spielen, wird Ihnen meine Idee sofort einleuchten.«
Ich aß mit Fitch zu Abend.
Es war schon dunkel, als ich Wolverhampton verließ. Im Zug teilte ich mein Abteil mit einem gutangezogenen dicken Mann, der seinen enormen Koffer so im Netz verstaut hatte, daß er jeden Moment herunterfallen konnte. Eine Zeitlang las er ein Birminghamer Blatt, während ich aus dem Fenster blickte. In der Ferne war der Feuerschein von Hochöfen zu sehen.
Die Zeitung knisterte. »Nett, sie wieder in Betrieb zu sehen, nicht wahr?« bemerkte er.
»Ja, sehr.«
»Sind Sie aus Birmingham?«
»Nein.«
»Es geht jetzt nicht schlecht hier. Wir können gar nicht schnell genug produzieren.«
»Das muß den Leuten guttun.«
»Ja. Ich bin unterwegs nach Italien. Ferienreise. Erste Klasse ab London, Trinkgelder inbegriffen. Keine Probleme mit dem Kauderwelsch.«
»Das klingt ja sehr schön.«
»Ich war ein paar Tage zu Ostern dort. Der ideale Ferienaufenthalt, dieses Italien. Jetzt, wo Mussolini hinterher ist, laufen die Züge beinahe so gut wie unsere. Sie sollten auch einen Versuch machen.«
Ich lehnte mich in meine Ecke. Ich war müde.
»Ich fürchte«, sagte ich, »Italien ist etwas zu heiß für mich.«
Er nickte verständnisvoll. »Ja, manche Menschen können die Hitze nicht vertragen. Meine verstorbene Frau war so. Entweder man verträgt die Hitze oder man verträgt sie nicht. Ich sage immer, es ist alles eine Sache der Konstitution.«
Epilog
Der dritte Faktor
E
s folgt ein kurzer Ausschnitt aus dem Artikel einer französischen Wochenzeitung, der im Sommer des gleichen Jahres erschien, in dem sich die von Mr. Nicholas Marlow beschriebenen Ereignisse abspielten. Der Artikel trug die Überschrift Europäischer Treibsand.
»… jede Beurteilung … der Lage muß von den Erkenntnissen der letzten Wochen ausgehen.
Es sind mehrere Faktoren, die zur gegenwärtigen Entspannung beigetragen haben. Der erste und wichtigste dürfte sein, daß die amerikanische Finanzwelt den potentiellen Aggressorstaaten die kalte Schulter gezeigt hat. Maßgebende Kreise in Wallstreet haben im richtigen Moment ihrer Meinung Ausdruck gegeben, daß vom Standpunkt des Kapitals aus, eine gefälschte nationale Bilanz nicht dadurch besser wird, daß sie national ist statt privat. Der zweite Faktor ist die Entschlossenheit, mit der die Entende nach der Beseitigung der letzten Mißverständnisse aufgetreten ist. Der dritte Faktor ist die unerwartete Abkühlung, die man seit kurzem zwischen den beiden Achsenmächten beobachtet. Der Anlaß dazu soll ein militärischer sein und den Brenner Paß betreffen. Einzelheiten
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