Anleitung zum Müßiggang
Macht ist, dass er eine doppelte Qual darstellt: die körperliche und die geistige. Er greift Körper und Seele an. Körperlich empfinden wir nichts als Kopfschmerzen, uns ist übel, möglicherweise tut alles weh; wir haben das Gefühl, als würden die Därme leicht vibrieren, und uns dröhnt der Schädel. Aber der körperliche Schmerz wird durch die geistige Pein unglaublich gesteigert, durch die Schuldgefühle, den Abscheu, den man vor sich selbst empfindet, die Paranoia und die Last der Dinge, die man eigentlich zu tun hätte, die die körperlichen Schmerzen begleiten. Eines nährt sich vom anderen und produziert sich ins Unerträgliche hochschraubende Qualen, die Geist, Körper und Seele erschöpfen. Wir fühlen, dass wir den Schmerz verdienen; dass es unser gerechter Lohn dafür ist, dass wir die öden Tugenden Verantwortungs- und Pflichtgefühl haben fahren lassen. In unserer selbstquälerischen Weltsicht wird jedes Vergnügen durch entsprechende Leiden ausgeglichen.
Es gibt jedoch eine Methode, mit dem Kater umzugehen, die aus ihm eine positive Erfahrung machen kann. So verrückt es sich anhört – mit ein wenig geistiger Findigkeit und ein bisschen Planung kann ein Kater tatsächlich genossen werden. Er kann zu einer kreativen Kraft werden, die dem, der ihn erleidet, einen bisher nicht gekannten, ja erfreulichen Blick auf die Welt bescheren kann: Das heißt, falls wir ihm das gestatten.
Der erste Fehler an der traditionellen Katerkur (Eier, Aspirin, Cola, Zitrone usw.) ist, dass man sie überhaupt als Kur betrachtet. Der Kater kann nicht kuriert werden, mit ihm kann man nur auf verschiedene Weise leben. Der zweite Fehler ist, dass man sich ausschließlich auf die Linderung der körperlichen Schmerzen konzentriert. In Wirklichkeit ist aber der Geist die stärkste Komponente bei einem Kater, und auf ihn müssen wir uns konzentrieren, um ihn zu besänftigen.
Dass der Kater zumindest zu einem gewissen Grade »vom Geist geschmiedet« ist, zeigt die folgende Anekdote von dem inzwischen verstorbenen Journalisten Gavin Hills (was nicht heißen soll, dass die Kopfschmerzen, die Übelkeit, die Müdigkeit und die Unfähigkeit, sich zu konzentrieren, bloße Hirngespinste sind):
Kürzlich erhob ich mich an einem Sonntagmorgen mit meiner üblichen Schimpfkanonade gegen die Ungerechtigkeit des Lebens. Mein Körper schmerzte, mein Magen revoltierte, der Kopf, er tat mir weh. Ich gab den Drogen, ich gab dem Alkohol, ich gab der ganzen erbärmlichen Angelegenheit des vorangegangenen Abends die Schuld. Erst durch diese Verleugnung wurde mir klar: Ich hatte den vorangegangenen Abend in Wirklichkeit vollkommen nüchtern zu Hause verbracht, mir das Spiel des Tages angesehen und war früh schlafen gegangen.
Gavins Erwartung des morgendlichen Elends und der Katergefühle war so stark, dass sie tatsächlich die vertrauten körperlichen Symptome hervorrief. Er war dermaßen bereit, sich in die übliche Selbstverachtung fallen zu lassen, dass er einen geistigen Kater bekam, der den körperlichen Kater mit sich brachte, ehe er bemerkte, dass sein Geist ihm einen Streich spielte.
Meine Frage ist also: Wenn der Geist einen Kater bewirken kann, könnte der Geist dann nicht auch einen Kater beheben? Könnten wir den Geist – den Willen – nicht dazu einsetzen, den Kater zu akzeptieren und ihm dadurch seine Macht nehmen?
Wenn es uns irgendwie gelingt, Schuldgefühlen und Arbeit während des Katers aus dem Weg zu gehen, kann er sich von einer negativen in eine positive Erfahrung verwandeln. Neulich habe ich mit dieser Idee experimentiert, als ich für ein paar Tage nach London gefahren war. Ich musste in mein Büro, um etwas Papierkram zu sichten und ein paar Anrufe zu machen, es musste aber nicht unbedingt zu einer ganz bestimmten Zeit geschehen. Statt meinen Kater zu bekämpfen, der sich nach zwei durchzechten Nächten als besonders schlimm herausstellte, überredete ich mich innerlich, ihn zu akzeptieren, und schwebte schließlich auf recht angenehme Weise durch den Tag. Der Schnee, die Busse, die Kälte, die anderen Leute in der U-Bahn, die unbeantworteten E-Mails im Bürocomputer, die zu bezahlenden Rechnungen, die kleinen Probleme, die unsere Tage durcheinander bringen: normalerweise wären diese Probleme verkatert nicht zu ertragen gewesen. Aber vielleicht auch, weil ich keine großen Forderungen an mich stellte, hatte alles ein langsames, angenehmes Tempo, und ich erledigte sogar einige Dinge (und ich hatte ein sehr
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