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Anleitung zum Müßiggang

Anleitung zum Müßiggang

Titel: Anleitung zum Müßiggang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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in der Bierkneipe oder beim Kegeln ... Was die Weber angeht, so ist es bei ihnen üblich, am Montag betrunken zu sein, am Dienstag Kopfschmerzen und am Mittwoch ihr Werkzeug nicht in Ordnung zu haben. Und die Schuhmacher, die lassen sich lieber henken, als am Montag nicht St. Crispins zu gedenken ... und das währt im allgemeinen so lange, wie sie einen Penny Geldes oder für einen Penny Kredit haben.
    Der Heilige Montag verschwand, aber sein Geist lebt weiter, und eine der Strategien, die dem müde werdenen Arbeiter zur Verfügung stehen, ist das Krankfeiern. Es ist so tief im Denken der Arbeitnehmer verwurzelt, dass die Behörden über die Zeitungen einen Propagandakrieg dagegen führen. Die Zeitungen machen dem potentiellen Schwänzer ein schlechtes Gewissen, indem sie einen ununterbrochenen Strom von Artikeln loslassen, in denen sie uns erzählen, wie viele Millionen jedes Jahr auf Grund von falschen Krankmeldungen »der britischen Industrie verloren gehen«. Die Zeitungen schreiben nie über die unermesslichen Steigerungen an Würde und Selbstwertgefühl bei den Millionen, die die Arbeit geschwänzt haben. Die Schlussfolgerung heißt: Melde dich krank, und du lässt alle anderen im Stich! Das Wohl des Einzelnen muss dem reibungslosen Funktionieren der Gesellschaft geopfert werden!
    In einem dieser Berichte, die uns ein schlechtes Gewissen machen sollen, klagte der Britische Industrieverband, im Jahr 1998 seien 200 Millionen Tage wegen Krankheit verloren gegangen. Und wie ich die britische Bevölkerung kenne, ging ehrlich geschätzt ein Großteil davon schlichtweg auf das Konto Krankfeiern. Bezeichnend ist vielleicht, dass die Berufsgruppen, die sich am deutlichsten gegen das Blaumachen verwehren sollten, diejenigen sind, die die Notwendigkeit, sich ein bisschen Zeit zurückzuergattern am heftigsten verspürten: Interessanterweise nehmen in den Krankmeldestatistiken Polizisten und Gefängniswärter mit angeblich im Durchschnitt 12 Tagen pro Jahr die Spitzenstellung ein. Diese Zahlen haben sogar zu einer offiziellen Regierungskampagne gegen das Krankfeiern geführt, der neuesten Anstrengung im jahrhundertelangen Kampf zwischen dem blaumachenden Arbeiter und dem arbeitseifrigen Kapitalisten. Die BBC berichtete neulich, dass Schatzkanzler Gordon Brown versprochen hat, das unentschuldigte Fehlen im öffentlichen Dienst innerhalb von fünf Jahren um ein Drittel zu senken. Viel Glück, Gordon!
    Die revolutionäre Macht des Krankfeierns ist uns in den letzten Jahren durch die satirische Anarchistengruppe Decadent Action vor Augen geführt worden, die 1999 den 9. April zum »Telefonischen Krankmeldetag« erklärte. Die Idee hat unzählige Kolumnisten inspiriert. Ich bat Iain Aitch, Autor und Begründer des Telefonischen Krankmeldetages, das dahinter stehende Prinzip zu erläutern:
    Der Gedanke war, die telefonische Krankmeldung, diesen einsamen, von schlechtem Gewissen geprägten Akt, in etwas zu verwandeln, bei dem man das Gefühl von rechtmäßig zurückgeholter Zeit hat. Es ging darum, das Gleichgewicht in der Chef-Arbeiter-Übereinkunft wiederherzustellen, und den Leuten die Augen darüber zu öffnen, wer wen am dringendsten braucht. Am Ende war es nicht mal nötig, den Krankmeldetag an dem Tag zu nehmen, den wir dafür bestimmt hatten. Solange die Aktion den Leuten das Samenkorn des Widerstands ins Hirn pflanzte, hatte sie funktioniert. Man konnte dann die gewonnene Freizeit, ganz gleich, ob es ein einzelner Tag oder sechs Monate waren, dazu benutzen, darüber nachzudenken, was man wirklich machen wollte.
    Als wollte er das Gesagte unter Beweis stellen, war Iain Aitch gerade dabei, blauzumachen, als ihm diese Idee kam, und er zeigt, wie die Belegschaft zusammenarbeiten kann, um sich gegenseitig beim Blaumachen zu unterstützen:
    Ich arbeitete in einer Stempelgeldstelle, als ich mir die ganze Sache ausdachte. Die Arbeitsbedingungen und die Moral in der Belegschaft waren so schlecht, dass sich jeder ziemlich oft frei nahm, und die sechs Monate Krankschreibung, was das Höchste war, was man sich erlauben konnte, wenn man weiterhin bezahlt werden wollte, wurde von vielen als eine Art Arbeiter-Sabbatjahr angesehen. Es war eine Zeit, in der man mit sich ins Reine kommen, sich nach einem neuen Beruf umsehen und einfach das nachholen konnte, was man schon immer tun wollte. Ich verbrachte meine sechs Monate damit, wiederzuentdecken, dass ich schreiben kann, und beschloss, dass dies mein Weg sei. Solange ich arbeitete, saß

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