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Anleitung zum Müßiggang

Anleitung zum Müßiggang

Titel: Anleitung zum Müßiggang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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muss? Twains Tom Sawyer hat das Zeug zu einem Unternehmer oder Firmenchef, denn er benutzt seinen Einfallsreichtum, um andere dazu zu überreden, die ganze Schufterei auf sich zu nehmen, während er an einem Dienstagnachmittag in seiner Loge beim Cheltenham Festival sitzt und sich locker einen ansäuft.
    In der bislang ungeschriebenen Literaturgeschichte des Bummelns ragt indessen eine Geschichte aus dem Rest als die vielleicht großartigste von allen heraus: Herman Melvilles Klassiker Bartleby, the Scrivener: A Story of Wall street , erschienen 1853. »Bartleby« ist die Geschichte eines liberalen Anwalts, der einen neuen Schreiber einstellt. Zunächst scheint dieser Schreiber, Bartleby, trotz seiner besorgniserregenden Humorlosigkeit ein musterhafter Arbeitnehmer mit all jenen so genannten Tugenden zu sein, die ein Chef hochschätzt: Pünktlichkeit, Detailtreue, Genauigkeit, Fleiß, ordentliche Erscheinung. Bald jedoch beginnt der rätselhafte Bartleby seltsame Ticks an den Tag zu legen. Eines Tages bittet sein Arbeitgeber Bartleby, einige Papiere mit ihm durchzugehen:
    Stellen Sie sich meine Überraschung, ja meine Verblüffung vor, als Bartleby, ohne aus seiner Abgeschiedenheit hervorzukommen, in merkwürdig sanftem, bestimmtem Ton erwiderte: »Ich würde vorziehen, es nicht zu tun.«
    Einen Augenblick lang saß ich vollkommen still da, um meine niedergeschmetterten Kräfte wieder zu sammeln. Unverzüglich kam es mir in den Sinn, dass meine Ohren mich getäuscht haben mussten oder dass Bartleby meinen Wunsch gänzlich missverstanden hatte. Ich wiederholte meine Bitte in dem deutlichsten Ton, den ich aufzubieten vermochte. Doch in ebenso deutlichem Tonfall kam noch einmal die vorherige Antwort: »Ich würde vorziehen, es nicht zu tun.«
    »Vorziehen, es nicht zu tun«, wiederholte ich, erhob mich in höchster Aufregung und durchquerte den Raum mit einem einzigen großen Schritt. »Was soll das heißen? Sind Sie verrückt geworden? Ich will, dass Sie mir helfen, dieses Schriftstück hier zu vergleichen – da, nehmen Sie es«, und ich warf es ihm hin.
    »Ich würde vorziehen, es nicht zu tun«, sagte er.
    Bartleby ist geradezu gandhihaft in seiner Auflehnung gegen die Arbeit: passiv, bestimmt, elegant und würdevoll. Er stellt den Inbegriff der Weigerung dar. Im weiteren Verlauf der Geschichte tut Bartleby immer weniger. Nie verlässt er das Büro, er nächtigt auf dem Sofa und ernährt sich von Pfeffernüssen. Sein Chef versucht ihn zu entlassen, scheitert damit und muss am Ende in ein anderes Büro umziehen, um den geheimnisvollen Schreiber loszuwerden. Die neuen Mieter finden Bartleby vor, wie er Tag und Nacht in den Korridoren herumschleicht. Schließlich wird er verhaftet und ins Gefängnis geschafft, wo er sich weigert zu reden oder zu essen. Nach ein paar Tagen verweigert sich Bartleby der Arbeit endgültig: Er stirbt.

12 UHR MITTAGS
    Der Kater
    Ich denke, du fühlst dich nicht sehr gut. Dein Geist ist voller »Unkräuter« ... Aber wenn du dich dazu überwinden kannst, diese Unkräuter nicht besiegen zu wollen, können auch sie deinen Weg zur Erleuchtung bereichern.
    Shunryu Suzuki, Zen Mind, Beginner’s Mind (1970)
    Es ist ungefähr zwölf, wenn der Kater kommt. Vor zwölf ist man im allgemeinen entweder immer noch von der letzten Nacht betrunken oder klammert sich an das bisschen Energie, das einem ein löcheriger Schlaf beschert hat. Vielleicht ist das der Grund, warum in der Mythologie von den Mittagsdämonen die Rede ist, die, schreibt Thierry Paquot in L’art de la sieste , »zur Mittagszeit bestimmte Menschen überwältigen können«. Im Islam gilt der Mittag als unheilige Stunde, und auch Plutarch verbindet ihn mit abergläubischen Vorstellungen. Viele, viele Tage gibt es, an denen ich im Büro oder an anderen Arbeitsplätzen herumgehangen und leise vor mich hingestöhnt habe, außerstande, mich zu konzentrieren, außerstande zu arbeiten, nur in der Lage, den Kopf in die Hände zu betten und mich für die Exzesse der vergangenen Nacht zu verfluchen. Wehe mir.
    Der Kater wird allgemein als eine der Folgen eines exzessiven Lebens, als Strafe für ein Vergnügen angesehen. Beschreibungen seiner Qualen können oft sehr komisch sein: Man denkt an den sich selbst bemitleidenden Withnail in Bruce Robinsons Film Withnail and I, der am Morgen nach einer heftigen Whiskysause stöhnt: »Ich habe das Gefühl, ein Schwein hat mir ins Gehirn geschissen.«
    Das Problem am Kater, das Geheimnis seiner tödlichen

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