Anleitung zum Müßiggang
gesamten Gelages sei: »Kater sind ein Weg, uns mitzuteilen, dass wir noch nicht weit genug gegangen sind«, erzählte mir Keith. »Wir haben immer so lange getrunken, bis wir eingeschlafen sind. Wir schrieben Gedichte über die letzten 36 Stunden, erinnerten uns teilweise an das, was passiert war, und lachten darüber. Es ist eine Frage der Planung. Man muss sich seine Arbeit vom Hals schaffen und braucht nach der Sauferei einen oder zwei Tage frei.«
Für Damien Hirst (der übrigens inzwischen Trinken und Rauchen vollkommen aufgegeben hat) war der Schlüssel, das Nüchternwerden in Gesellschaft seiner Mitsäufer zu erleiden:
Als der Rausch nachließ und die Sache wirklich übel und grauenhaft wurde, man sich wie Scheiße fühlte und am liebsten Selbstmord begangen hätte, setzten wir uns zusammen und sagten: »Das ist der beste Teil.« Und zwangen uns, die Sache durchzustehen und auszukämpfen. Das war immer fantastisch ... es ist großartig, andere Leute dabeizuhaben, wenn man das tut ... Ich bin lieber mit meinen Kumpels zusammen, wenn es mir schlecht geht, als dass es mir alleine im Bett scheißschlecht geht.
Was mich betrifft, so weiß ich, dass der Kater eine Zeit voller gelöstem, kicherigem Gelächter und Spaß sein kann, wenn man sie einfach mit kannenweise Tee und einer Schar Freunden durchsteht. Die Probleme mit dem Kater sind zum Teil darauf zurückzuführen, dass wir uns gewöhnlich so zu verhalten versuchen, als hätten wir keinen; wir gehen ins Büro, wir sitzen in Konferenzen, wir tun Dinge, und wir tun sie allein. Meide in diesem Moment jede nützliche Tätigkeit. Lass dich auf das Unnütze ein. Plane für den Kater und bekämpfe ihn nicht!
Wie bei allen Aspekten des Müßiggangs sollten wir uns dem Druck widersetzen, alles in unserem Leben abzulehnen, was nicht in das Paradigma des Produktiven, Vernünftigen und Arbeitsamen passt, das die Gesellschaft und wir selbst uns aufdrängen. Richtig leben zu lernen kann einschließen, dass wir lernen, den Kater zu lieben. Dieser Trick richtet sich natürlich eher an den fortgeschrittenen Studenten des Müßiggangs, aber versuche es mal und schau, wie viel schöner dein Leben wird.
1 UHR MITTAGS
Der Tod des Mittagessens
Lunch ist freier Wille.
Keith Waterhouse, The Theory and Practice of Lunch (1986)
Ich habe die vage Ahnung, dass »Lunch« vor gar nicht so langer Zeit eine Mahlzeit war, die man genießen konnte. Das Mittagessen war ein Ereignis, das wohldurchdacht sein wollte, es konnte mit Freunden und Kollegen eingenommen werden und sich über mehrere Stunden hinziehen. Es war eine Zeit zum Plaudern, Lachen, Trinken. Es war eine Traumoase des Vergnügens, die den tristen Nachmittag entschärfte und auf die man sich während des arbeitsreichen Morgens freuen konnte. Es konnte sogar einen Spaziergang durch den Ort, eine Taxifahrt oder einen Ausflug in eine Galerie einschließen. Manchmal erstreckte sich ein Mittagsmahl über den ganzen Nachmittag bis in den Abend hinein und hinterließ eine köstliche Spur abgesagter Verabredungen und verschobener Arbeiten.
Doch was bedeutet das Mittagessen dem modernen Arbeitnehmer heute im einundzwanzigsten Jahrhundert West? Traurigerweise ist das Mittagessen zu einer ausschließlich praktischen Angelegenheit herabgewürdigt worden. Die Tradition des gemütlichen Mahls hat durch die neue Arbeitsmoral eine schwere Niederlage einstecken müssen. Und so kam es zum Siegeszug des Sandwichs als des effizientesten Mittels, mit einem Minimum an Aufwand seinen Hunger zu stillen, und in England zu dem gewaltigen Erfolg des Herstellers von »Qualitäts«-Sandwiches: Pret A Manger, der mit seinem französischen Namen, der flotten Bedienung und der Jazzberieselung so tut, als liege ihm »Essen leidenschaftlich am Herzen«, in Wirklichkeit aber eher daran interessiert ist, die Büroangestellten zügig abzuspeisen, damit sie so schnell wie möglich an ihre Schreibtische zurückkehren können. Seine wahre Leidenschaft ist natürlich der Profit, und um tüchtig Kohle zu machen, appelliert er an die Kultur des Arbeitnehmers mit seiner knappen Zeit. Und sowieso haben sich alle Behauptungen, dass ihm das »Essen leidenschaftlich am Herzen« liege, als purer Blödsinn erwiesen, als die Kette von dem ach so passionierten Qualitätsliebhaber McDonald’s aufgekauft wurde.
Wir könnten indessen die Schuld den geschäftigen, ruhelosen, strebsamen Amerikanern in die Schuhe schieben. Schon 1882 bemerkte Nietzsche, dass in den USA das
Weitere Kostenlose Bücher