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Anleitung zum Müßiggang

Anleitung zum Müßiggang

Titel: Anleitung zum Müßiggang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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ich oft nur sechs Stunden lang im Büro, von denen ich drei mit Kartenspielen totschlug. Darin wurde ich sehr gut, und im Blaumachen war ich offenbar genauso gut, da ich kein einziges Mal dabei erwischt wurde.
    Eine erprobte und bewährte Methode, einen Tag freizubekommen, ist die Vorlage eines offiziell wirkenden Attests vom Arzt. Die meisterhafteste Krankschreibung, die ich je gelesen habe, findet sich in dem Klassiker der Nichtstuer-Literatur, Oblomow von Iwan Gontscharow. Dieser russische Roman, der 1859 erschien, ist das Porträt eines sanften aristokratischen Müßiggängers, der auf Grund seiner Veranlagung schlicht handlungsunfähig ist, keinerlei Ehrgeiz besitzt und in seiner Haltung nichts Falsches sieht. Ziemlich am Beginn des Buches sieht sich Oblomow in der Tätigkeit als Beamter im öffentlichen Dienst. Aber die an ihn gestellten Forderungen werden bald unerträglich.
    Zweimal war er des Nachts geweckt worden, um »Noten« zu verfassen, mehrere Male war er durch einen Kurier von einem Besuch bei Freunden weggeholt worden – immer wegen dieser Noten. All das schreckte und langweilte ihn entsetzlich. »Aber wann soll ich denn leben?«, sagte er immer wieder voller Sorge.
    Nach zwei Jahren Dienst beschließt Oblomow, dass es ihm reicht. Um für eine Zeit lang freigestellt zu werden, bittet er seinen Arzt um eine Krankschreibung. Das Ergebnis ist ein Meisterstück ärztlicher Sprache im Dienst des Blaumachens. Warum schreibst du es dir nicht ab und legst es deinem Arbeitgeber vor?
    Ich, der Unterzeichnete, bescheinige und setze mein Siegel darunter, dass der Kollegiatssekretär Ilja Oblomow an einem vergrößerten Herzen und einer Erweiterung von dessen linker Kammer leidet (Hypertrophia cordis cum dilatione ejus ventriculi sinistri), außerdem an einem chronischen Schmerz in der Leber (Hepatitis), der Gesundheit und Leben des Patienten gefährden kann und dessen Attacken, so ist zu vermuten, auf seinen täglichen Gang ins Büro zurückzuführen sind. Um also der Wiederholung und Zunahme dieser schmerzhaften Attacken vorzubeugen, halte ich es für notwendig, Herrn Oblomow den Gang ins Büro zu untersagen und darauf zu bestehen, dass er sich insgesamt intellektueller Beschäftigungen und jeder Art von Tätigkeit enthalten sollte.
    Eine andere erwähnenswerte Form des Blaumachens ist die Kunst des Delegierens. Sie wird von Mark Twain (einem weiteren müßiggängerischen Schriftsteller, der im Bett arbeitete) in The Adventures of Tom Sawyer (1876) dargestellt. Tom Sawyer erhält von seiner Tante Polly den Auftrag, einen Zaun zu streichen, aber er kann seine Kumpel davon überzeugen, dass Zaunstreichen keine Arbeit, sondern Vergnügen ist. Und so kommt er nicht nur ohne die geringste Mühe zu einem gestrichenen Zaun, sondern er luchst seinen Freunden für das Vergnügen des Streichens sogar noch Geld ab und kehrt nach getaner Arbeit mit Schätzen in seinen Taschen zurück, zu denen unter anderem Kaulquappen, ein Kätzchen, Knallfrösche, ein Zinnsoldat und ein Türgriff aus Messing gehören.
    Tom sagte sich, die Welt sei doch nicht so hohl und leer. Er hatte, ohne es zu wissen, ein wichtiges Gesetz entdeckt, welches das menschliche Handeln bestimmt: dass nämlich, um das Begehren eines Mannes oder eines Jungen nach etwas zu wecken, weiter nichts nötig ist, als die Sache schwer erreichbar zu machen. Wäre er ein großer und weiser Philosoph gewesen wie der Autor dieses Buches, dann hätte er jetzt verstanden, dass Arbeit in dem besteht, was man zu tun verpflichtet ist, und dass Spiel in dem besteht, was man nicht zu tun verpflichtet ist. Das hätte ihm begreifbar gemacht, weshalb es Arbeit ist, künstliche Blumen herzustellen oder in einer Tretmühle tätig zu sein, während es ein Vergnügen ist, Kegel zu schieben oder auf den Montblanc zu klettern. Es gibt in England reiche Herren, die im Sommer täglich verkehrende vierspännige Reisekutschen zwanzig oder dreißig Meilen weit lenken, weil dieses Vorrecht sie ziemlich viel Geld kostet; böte man ihnen aber Lohn für diesen Dienst, so würde er zur Arbeit, und dann gäben sie ihn auf.
    Dies sind die raffinierten Mittel, die der Hass auf die Arbeit zu Tage fördert, und sind es nicht fürs Leben nützliche Fähigkeiten? Ich persönlich habe Leute nie verstanden, die nicht delegieren können; sicherlich bedeutet es schlicht und einfach, dass jemand anderer die Arbeit erledigen muss; aber ist das nicht vielleicht doch besser, als wenn man sie selbst erledigen

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