Anleitung zum Müßiggang
Fantastische ist, dass es auch heute noch so viel offenes Land gibt, an dem wir uns erfreuen können, so viele stille Fleckchen Erde. Es ist Unsinn, darüber zu klagen, die Landschaft sei durch die Urbanisierung zerstört worden: Es gibt da draußen noch immer Millionen von Morgen unberührter Flussufer, Felder und Wälder zu entdecken. Es ist sogar möglich, dass sie weniger bevölkert sind als vor vierhundert Jahren, da der größte Teil der Landbevölkerung nach und nach in die Städte abgewandert ist.
Ein Grund für die beruhigende Wirkung des Angelns ist, schreibt Walton, dass man dabei so dicht ans Wasser herankommt. Flüsse sind ideale Orte, um ungestört nachzudenken; Walton zitiert die Kinder Israels, die sich an den Euphratufern Babylons niederließen und Zions gedachten. »Die Flüsse und die Bewohner des wässerigen Elements«, schreibt er, »wurden erschaffen, damit weise Männer nachdenken und Narren ohne zu überlegen vorbeigehen.«
So kommt es, dass der Müßiggänger sich zum Wasser und zu Flüssen hingezogen fühlt. Das klassische Kinderbuch The Wind in the Willows (1908) von Kenneth Grahame (der auch The Golden Age [1895] und Dream Days [1898] über seine idyllische Kindheit auf dem Lande geschrieben hat) beginnt damit, dass Maulwurf beschließt, seine Pflichten und Verantwortungen aufzugeben, hinauszuziehen und sein Leben zu genießen:
Der Frühling rumorte oben in der Luft herum und unten in der Erde herum und rund um den Maulwurf herum. Er drang in sein dunkles und bescheidenes Haus und brachte seine eigenen Launen mit; die Unzufriedenheit der Götter und die Sehnsucht. So kann es nicht erstaunen, wenn der Maulwurf plötzlich die Bürste zu Boden schleuderte, »Schwachsinn!« und »Mit mir nicht!« sagte sowie »Zum Henker mit dem Frühjahrsputz!« und aus dem Haus schoss, ohne auch nur einen Mantel überzuziehen.
So beginnt der Tag des Maulwurfs, und so beginnt seine Verwandlung von einem ausgenutzten kleinen Sklaven zu einem, der dank der Lehren der Wasserratte ein flottes Leben führt. »Und dies war nur der erste Tag. Viele ähnliche Tage folgten, und für den Maulwurf in seiner Freiheit war jeder Tag interessanter und auch länger als der vorangegangene, denn der Sommer näherte sich seinem Höhepunkt. Er lernte Schwimmen und Rudern und er lernte die Wonnen des wilden Wassers schätzen ...«
Ein geistiger Nachkomme Sir Izaak Waltons ist ein Mann namens Chris Yates, und ich habe ihm dafür zu danken, dass er mich auf diese vergnügliche Reise in das innere Wesen, in die Seele des Angelns geschickt hat. Ich bin Yates das erste Mal begegnet, als wir im Idler ein Interview mit ihm brachten. Yates, der in Anglerkreisen dafür berühmt ist, einen alle Rekorde brechenden Karpfen gefangen zu haben, ist ein echter Exzentriker, der es nie zugelassen hat, dass Arbeit oder die Erwartungen anderer Leute sich dem Leben in den Weg stellen, das er führen will: einem Leben als Angler.
Yates wählte sein Haus in Wiltshire wegen dessen Nähe zu dem fischreichen Avon und hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, die er alle im Bett oder am Flussufer geschrieben hat. Er gibt außerdem die Zeitschrift Waterlog heraus, eine Publikation für Seelenfischer. Eines Tages im Herbst nahm Yates mich mit zum Angeln, um mir dessen Freuden und Mysterien zu offenbaren. Er war Piscator und ich sein Zuhörer. Das erste tolle Ereignis war, dass wir in den sechs Stunden vom Mittagessen bis zum Dunkelwerden keinen Fisch gefangen haben. »Es ist schön, wenn man einen Fisch fängt«, erklärte der Meister, »aber darauf kommt es eigentlich nicht an.«
Und worauf kommt es an? Tja, was der Angler zu erreichen versucht – und es misslingt, wenn man es zu intensiv versucht –, das ist: zu sein. Yates spricht vom Verschmelzen mit dem Wasser, von der Hingabe an die geistige Betrachtung der rätselvollen Welt unter der Wasseroberfläche. »Sie ist wie ein Schleier«, sagt er. »Man möchte ihn lüften, in Kontakt mit dieser anderen Dimension treten. Wasser kann hypnotisieren und beruhigen, inspirieren und elektrisieren wie kein anderes Medium.«
Ted Hughes hat dieses Gefühl völliger Versunkenheit wunderschön in seinem Gedicht »Go Fishing« (1983) eingefangen, in dem er von der Vereinigung mit dem Wasser, vom Einfließen des Geistes in die Erde und dem Vergessen der Sprache schreibt.
Wenn man sehr lange beim Angeln verweilt, verliert sich der Intellekt, auf das Denken und selbst auf die Sprache wird verzichtet. Man beginnt
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