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Anleitung zum Müßiggang

Anleitung zum Müßiggang

Titel: Anleitung zum Müßiggang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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zu gleiten, zu schweben. Und wir denken an John Lennon in »Tomorrow Never Knows«, dem bekannten Angel-Song der Beatles, in dem er rät, sich flussabwärts treiben zu lassen und das Denken abzuschalten.
    Angeln ist eine Form der Meditation, ein Heraustreten aus Körper und Geist. Aber früher oder später muss der Angler in die Welt zurückkehren. Hughes drückt es so aus: Die Welt stellt sich wieder ein wie ein weißes Hospital, drängend, bang, geschäftig, krank, steril, voller Tod, in dem das Denken verzweifelt mit dem Leiden ringt. Das Bild des weißen Hospitals für die Welt und unsere Versuche, sie in den Griff zu kriegen, ist glänzend.
    Das Privileg des Anglers, vor allem heutzutage, wo die meisten von uns in großen oder kleineren Städten wohnen, ist natürlich, dem städtischen Gewühl und Gelärme zu entfliehen und sich in die Natur zu begeben, und darin liegt einer der wahren Reize. In seinem Klassiker An Angler at Large (1911) schildert William Caine einen Tag, an dem er keinen Fisch fängt, aber Begegnungen mit vielen anderen Geschöpfen hat. »Geangelt hatte ich gar nichts, aber mit einem Mauersegler, einem Entenei, einem Teichhuhn und einer Ratte auf der Habenseite konnte ich mich nicht beklagen, dass ich keinen Spaß gehabt hätte.«
    Das Großartige am Angeln ist sein demokratisches Wesen: jeder kann es tun, und jeder kann dadurch in einen Dichter oder Philosophen verwandelt werden. Das meistgekaufte Angelbuch der fünfziger Jahre war ein illustrierter Ratgeber mit dem Titel Mr Crabtree Goes Fishing (1950), geschrieben und gezeichnet von Bernard Venables. Das ursprünglich als Serie im Daily Mirror erschienene Buch folgt im Wesentlichen der Form von The Compleat Angler, es ist nämlich ein Dialog zwischen einem Meister, dem freundlichen, väterlichen, Pfeife rauchenden Mr. Crabtree, und einem Anfänger, Mr. Crabtrees lernbegierigem Sohn Robert. Und wie in The Compleat Angler sind in die Passagen mit praktischen Instruktionen reflektierende Zwischenspiele eingestreut. Durch das Angeln teilte Venables gewöhnlichen arbeitenden Menschen die Freuden des Nichtstuns in schöner Umgebung mit: »In Bedfordshire, in Huntingdonshire, in Suffolk und Rutland kann man mit seiner Angelrute hinausgehen und die Zeit vergessen. Nichts erscheint einem mehr wirklich, bis auf diese schläfrige Einsamkeit, in die man versunken ist ... Denn für mich, obgleich damit all diese Tätigkeiten, wie den Wurm am Haken befestigen und den Fisch auszappeln lassen, damit verbunden sind, umgibt das Ganze ein tranceartiges Nichtstun. Der Morgen ist von so zerbrechlicher Schönheit, dass er von der gewöhnlichen Wirklichkeit weit entfernt zu sein scheint.«
    Für Venables ist das Angeln von Karpfen das untätigste von allen, weil dazu sehr lange Perioden der Untätigkeit gehören, die von anfallartiger Erregung unterbrochen werden, wenn der Fisch anbeißt: »Wer Karpfen angeln will, muss zu größter Hingabe bereit sein. Er muss bereit sein, lange Stunden in gespannter Untätigkeit zu warten. Aber wenn die Vigilie den Höhepunkt erreicht, kann der so stürmisch verlaufen, dass mancher Fischer ihm nicht gewachsen ist.« Diese Art Arbeit – lange Perioden des Nichtstuns, gefolgt von einem plötzlichen hektischen Ausbruch von Aktivität – ist genau das, was ein Müßiggänger liebt. Alles, nur nicht die Langeweile regelmäßigen und anhaltenden Fleißes. Diese Methodik geht auf Dr. Johnsons Kennzeichnung des Arbeitsverhaltens des Müßiggängers zurück: »Der Müßiggänger, wenngleich träge, ist dennoch wach und kann zu Schwung und Aktivität angeregt werden . . . der Eifer eines Müßiggängers ist rasch und hitzig.« Vermutlich überrascht es jetzt nicht, dass Chris Yates Karpfenfischer ist. Und auch nicht, dass Dr. Samuel Johnson ein Bewunderer des Werks von Izaak Walton war.
    Warum abends um sieben? Nun, der Grund, warum ich das Angeln dieser Stunde zugewiesen habe, ist, dass die Abenddämmerung mit die beste Zeit zum Fischfang ist: Da kommen sie aus ihren Verstecken hervor, um nach Nahrung zu suchen. »Es ist die Zeit, in der alles zum Leben erwacht«, sagt Yates. »Wenn die großen Fische herauskommen.« Oder wie William Caine es in An Angler at Large formuliert: »Wenn das Licht abnimmt, ist die Jagd flott.«
    Die Abenddämmerung ist außerdem eine Zeit von besonderem Zauber: Ich erinnere mich, dass ich auf meinem Angelausflug mit Yates in der Abenddämmerung wirklich »aufzuhören« begann, wie Ted Hughes es nannte, dass

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