Anleitung zum Müßiggang
Wasser hatte. Weitere Anhänger waren unter anderem Oscar Wilde, Paul Verlaine und Degas: Ein erlesenes Trio von Verschwendern, deren künstlerisches Erbe auch heute noch lebendig ist. Für sie war das Trinken von Absinth eng mit einem neuen Begriff von Kunst als Kampf um Freiheit und Angriff auf bürgerliche Moralvorstellungen verbunden.
Wie man weiß, hatte der Missbrauch des Absinths grauenhafte Folgen. Er war so etwas wie das Crack der damaligen Zeit. Und seine Fans reagierten empfindlich auf sein Paradox: Absinth tötet dich, aber er bringt dich zum Leben. Genau das, was das Leben lebenswert zu machen scheint, zerstört deine Gesundheit.
Absinth wurde 1914 in einem panischen Moralanfall verboten, doch in den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich aus dem Brauch der grünen Stunde die Cocktailstunde (und ihre volkstümliche kleine Schwester, die sogenannte Happy Hour).
In The Book of Tiki: The Cult of Polynesian Pop in Fifties America (2000) zeigt der Anthropologe Sven A. Kirsten, wie in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts zuerst in Kalifornien und danach in ganz Amerika begonnen wurde, den primitiven Lebensstil von Polynesien und Hawaii, den Osterinseln und den Inseln der Südsee als Symbol eines irdischen Paradieses zu übernehmen, in dem es keine Arbeit und keine Verpflichtungen gibt, ein Gegenmittel gegen die zivilisierte westliche Welt. In den fünfziger Jahren erlebte Amerika eine neue Epoche materiellen Wohlstands, aber den auf Arbeitsmoral versessenen Amerikanern musste gesagt werden, wie sie die Früchte ihrer Arbeit genießen sollten. Die Antwort kam in Gestalt von Tiki. Tiki bedeutete Rumcocktails und exotische Ferien, und Tiki hatte seine eigene Musik – Exotica – und eine Menge reizvoller Kunst im Gepäck.
»Ende der fünfziger Jahre war es absolut de rigueur, ein auffallendes Stück primitiver Kunst zu besitzen, um die Eintönigkeit seiner Wohnzimmereinrichtung aufzubrechen«, schreibt Kirsten. Und im Zentrum dieser Kultur stand der Cocktail, der in einer luxuriösen Tiki-Schale serviert wurde, an der Paare sich labten, die ihre Arbeitskleidung abgelegt hatten und in großgeblümte Hawaiihemden geschlüpft waren. Der berühmteste dieser Cokktails war der Zombie, und hier ist ein Rezept, das auch dich in Stimmung bringen sollte:
3 cl dunkler Jamaikarum
6 cl goldfarbener Barbadosrum
3 cl weißer puertoricanischer Rum
3 cl Apricot Brandy
jeweils reichlich 2 cl Papayanektar und
ungesüßter Ananassaft
Saft einer großen Limette
1 Teelöffel feinkörniger Zucker
Edle Dichtung in der Tat. Kirsten reproduziert auch die folgende Inschrift aus einer Bar in Hawaii, die ihren Gästen besonders Zeugnisse ausstellte:
Beachcombers der Südsee begrüßt in ihren trägen, sorgenfreien Reihen
(hier Ihr Name)
der unter dem Kreuz des Südens auf der Pazifikinsel Eden – Tahiti gelebt, sich schlaff auf funkelnden Stränden gerekelt, den berauschen Duft von Jasminblüten geatmet und sich von den sanften Liebkosungen der Südseezephire hat streicheln lassen; der die Hingabe an den Luxus der Entspannung und des Lebensgenusses zur Kunst erhoben hat. Bescheinigt: J. Combard, Generaldirektor, 1. Okt. 1960.
Der nächste logische Schritt war, etwas aus dieser Ferienidylle mit nach Hause zu bringen, und Tiki war eine Möglichkeit, sich sein Paradies im eigenen Garten hinter dem Haus zu schaffen. Eingängige Musik von Leuten wie Martin Denny wurde gespielt und das Vorderzimmer in eine Cocktailbar umgebaut. Picasso taucht komischerweise als Schlüsselfigur in der Tiki-Welt auf. Er war ein Fan primitiver Kunst und lieferte den von Tiki-Fanatikern heiß geliebten Satz zur Verteidigung von Tiki: »Ach was, guter Geschmack! Wie schrecklich! Geschmack ist der Feind der Kreativität.«
Die frühen Playboy-Magazine der sechziger Jahre nahmen diesen Cocktail-Kulturtraum begeistert auf. Der Cocktail wurde gedanklich mit Hawaiihemden, Tabakpfeifen, Genuss und ungenierter Sexualität in Verbindung gebracht. In den Playboys dieser Zeit wimmelt es von Fotos von Hugh Hefner, dem Boss, der seinen Spaß am Leben durch einen Cocktail in der Hand, einen Schwarm schöner Mädchen um sich herum und einer Tabakpfeife zwischen seinen grinsenden Zähnen demonstriert. Es mag ein Traum gewesen sein, aber es war ein herrlicher Traum, und er muss viel dazu beigetragen haben, die Lasten schwerer Arbeit erträglicher zu machen, die im Nachkriegs-Amerika allmählich Wirklichkeit zu werden begannen.
Dazu stelle ich mir eher den
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