Anleitung zum Müßiggang
ich eins mit dem Wasser wurde und zu denken aufhörte. Das Licht schwindet, andere Angler gehen nach Hause, Wasser und Nicht-Wasser verschwimmen. Umrisse verlieren ihre Schärfe, Bäume werden zu einer Schattenmasse, vielleicht kommt der Mond heraus. Caine schreibt über die Dämmerstunde: »Eine Stunde verging, eine wundervolle Stunde, in der die Sonne, die nach ihrem Aufruhr zwischen den Wolken widerwillig ins Bett kroch, längere und immer längere Schatten unter die Bäume warf, die grünen Hügel rosarot übergoss, Wunder vollbrachte – für mich.« Ich liebe dieses letzte »für mich«, denn ich erinnere mich deutlich an das Gefühl, dass man zu dieser Zeit, am Ufer des Flusses stehend, wirklich und überaus glücklich ist und dass es im Leben vieles zu genießen gibt, wenn man sich die Mühe macht, hinauszugehen und es begierig in sich aufzunehmen.
Bei nochmaligem Nachdenken über das Buntglasfenster in der Kathedrale von Winchester fällt mir auf, dass der Satz »Lerne still zu sein« das Paradox des Nichtstuns zum Ausdruck bringt, nämlich dass man daran arbeiten muss, untätig zu sein. »Still zu sein« fällt denen, die an Lärm, Gehetze, Getümmel, Arbeit gewöhnt sind, nicht unbedingt leicht. Man muss sich darum bemühen, es üben, denken, überlegen, nachsinnen. Und täglich nachsinnen, wenn man nicht in einem Wirbel von Pflichten und Verantwortungen untergehen will, einem Wirbel von Dingen, die man »muss«, statt dass man sie sich »wünscht«. Der Weg zum Nichtstun dauert ein ganzes Leben. Das Großartige ist, dass wir wissen, wie der Weg enden wird, nämlich im absoluten Nichtstun, dem Tod.
8 UHR ABENDS
Rauchen
Je ne veux pas travailler
Je ne veux pas déjeuner
Je veux seulement oublier
Et puis je fume.
Aus »Sympathique« von den Pink Martinis
(mit Entschuldigungen an Apollinaire)
Als ich mit dem Rauchen begann, ich war damals 14, hatte ich das Gefühl, ich erlebte eine Art Wiedergeburt oder Wiedererweckung. Den Tabak zu entdecken, war wie auf eine Geheimtür zu stoßen, ein Tor zu einem kultivierten Garten voll weltlicher Genüsse und unabhängiger Lebensweisen. Rauchen fühlte sich gut an, es sah cool aus und es war eine Möglichkeit, sich gegen Autorität aufzulehnen, sich seinen eigenen Weg durchs Leben zu bahnen, statt demütig den von Eltern und Lehrern anerkannten Pfaden zu folgen. Rauchen hieß frei sein. Ich hatte eine Freundin gefunden, eine sehr gute Freundin. Möglicherweise eine Freundin fürs Leben. Sie aufzugeben, hieße, einen schmerzlichen Verlust erleiden, der doppelt schwer würde durch die Tatsache, dass ich für den Rest meines Lebens den Anblick ertragen müsste, wie andere an der Gesellschaft dieser verlorenen Freundin ihr Vergnügen haben.
Aber wir wissen auch – wie könnten wir diese Tatsache ignorieren, so erfolgreich wie die Gesundheitsapostel sind –, dass Rauchen schädlich ist, und so beginnt der lebenslange Kampf zwischen »Ja«-Sagen und »Nein«-Sagen. Mit 14 beschloss ich, das Rauchen aufzugeben, wenn ich 18 wäre. Mit 18 beschloss ich, es mit 21 aufzugeben. Mit 21 hatte ich das sichere Gefühl, ich würde mir intensiv wünschen aufzuhören, wenn ich 30 wäre. Jetzt mit Mitte 30 bin ich mir sicher, dass ich mich mit 40 von diesem Laster befreit haben werde. Doch einstweilen rauche ich. Ja, ich rauche genau in diesem Augenblick, und wenn ich diesen Satz beendet habe, werde ich ihn durchlesen und dabei Rauch gegen den Bildschirm blasen.
Der innere Kampf, den das Rauchen auslöst – aufgeben oder nicht aufgeben –, spiegelt sich in den äußeren Kämpfen wider, die toben, seit der Tabak im sechzehnten Jahrhundert von Sir Walter Raleigh von Amerika nach England gebracht wurde. Nur wenige Jahrzehnte nachdem uns Raleigh nach dem wohltuend beruhigenden Kraut süchtig gemacht hatte, begannen die Moralisten »nein« zu sagen. König Jakob I., selbsternannter Bewahrer der Öffentlichen Moral, ein Mann, der begeistert Hexen foltern ließ, veröffentlichte im Jahr 1604 seine Hetzschrift gegen das Rauchen, »A Counterblaste to Tobacco«. Es handelt sich um ein seltenes Beispiel guter Schriftstellerei aus der Feder eines Moralisten. Angetrieben von seinem persönlichen Hass auf die freizügigen Sitten und den kühlen, natürlichen Charme von Sir Walter, ist sein »Counterblaste« eine temperamentvolle Tirade, in der alle schwerwiegenden Argumente gegen das Rauchen versammelt sind, die auch heute noch von seinen Kritikern benutzt werden: Es ist schädlich, es
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