Anleitung zum Müßiggang
angetrunkener, einsamer, unsicherer Menschen, die sich über das Getöse hinweg Gehör zu verschaffen versuchen. Man wird heiser vom Schreien, und das Gespräch, wie es nun mal ist, wird durch lange Phasen unterbrochen, in denen man die Gäste anstarrt, weil man einfach keine Lust mehr hat zu schreien. Mir wurde mal gesagt, der Grund für diese ungeheure Lautstärke sei der Profit: »Wenn du nicht redest, trinkst du«, laute die Theorie. Der Kommerz hat den Pub getötet. Chesterton schreibt in What’s Wrong with the World : »Sicher, wir würden alle unsere Kabel, Räder, Systeme, Besonderheiten, unsere physikalische Wissenschaft und die hektische Finanzwelt für eine halbe Stunde Glück opfern, wie wir es oft mit Gefährten in einer gewöhnlichen Kneipe erlebt haben.«
Selbst in den englischen Provinzstädten haben zaghaftere Pubs ihre Gemütlichkeit zugunsten dieses Barstil verraten: Zink ist an die Stelle von Holz getreten, die Behaglichkeit wurde dem Image geopfert und Kerzenlicht gegen Deckenfluter eingetauscht. Stadtzentren bieten dem »wankelmütigen« Konsumenten unter 25 Jahren Themenbars an, und diese Lokale gucken sich ihren Stil von den trendigen Londoner Etablissements ab, die in Regenbogenillustrierten von irgendwelchen Prominenten in den Himmel gehoben werden.
Wir wollen noch hinzufügen, dass der städtische Pub auch durch das Sportstudio stark unterminiert worden ist. Statt nach der Arbeit direkten Kurs auf den Pub zu nehmen, scheint es einer immer größeren Zahl unfroher Irrer Spaß zu machen, ins Sportstudio zu gehen, wo sie mutterseelenallein auf Laufbändern strampeln und auf Riesenmonitoren MTV gucken, um sich von ihren Qualen abzulenken, statt in geselliger Runde schäumende Halbe nussbraunen Biers zu zischen. Wenn man sich wirklich Bewegung verschaffen will, warum sucht man sich nicht einen Pub, der eine Meile zu Fuß vom Büro oder von zu Hause entfernt ist? So läuft man jeden Tag zwei Meilen und hat seinen Spaß.
Ich habe meinen alten Dansette-Plattenspieler in meinen Hauspub, The Green Man, geschafft, und an sonnigen Nachmittagen spielen wir Platten von Noel Coward und The Ink Spots. Ich finde, diese Art Musik passt ziemlich gut zu Ale und Zigaretten. Außerdem brauche ich, weil ich keinen Schnaps verkaufe, keine Konzession, kann schließen, wann ich will, und muss keine Angst vor dem Steuereintreiber haben. Aber draußen auf der Straße ist es schon elf Uhr nachts. Die verdammte Glocke hat geläutet und unsere Ruhe zerstört, und der Wirt hat den gefürchteten Satz: »Jetzt austrinken!« gegrölt. In uns kocht es, unser guter alter englischer Groll darüber, dass man uns sagt, was wir zu tun und zu lassen haben, ist angestachelt. Es ist Zeit zum Aufruhr.
11 UHR ABENDS
Aufruhr
Zum Teufel mit dem König, zum Teufel mit der Regierung, zum Teufel mit den Richtern!
Aufrührersingsang London um 1760
Maggie, Maggie, Maggie! Out, out, out!
Protestsingsang London um 1980
Aufruhr ist eine Waffe, aber eine, die sich ganz wesentlich unterscheidet von den Waffen der Obrigkeit, des Königs und des Staates, der Plagegeister und des Heers der Anti-Müßiggänger. Paradoxerweise neigen Müßiggänger zu Aufruhr. Die Herrschenden benutzen gern die schonungslose Plackerei, um schikanöse, gnadenlose Bürokratien ins Leben zu rufen, die uns mit Langeweile erdrücken. Ab und zu wird rohe Gewalt aufgefahren. Der modus operandi des Müßiggängers andererseits ist, monatelang redend und denkend herumzusitzen und dann mit Ungestüm, mit »raschem und heftigem« Eifer, einem sichtbaren leidenschaftlichen Ausbruch, mit einem »Aufstand« zu handeln. Pläne werden in den Kneipen entwickelt, dann, viele Monate später, werden Gebäude angegriffen, der Trafalgar Square blockiert, ein Universitätsgebäude besetzt. Als Spektakel ist der Aufruhr besonders wirkungsvoll. Jesus war ein Aufrührer: Er kippte die Tische der Wechsler um und schuf damit ein Beispiel für Millionen idealistischer Schwärmer nach ihm.
Lord Byron verbindet in sich das Paradox des aufrührerischen Dichters, des umstürzlerischen Müßiggängers und des gelassenen Revolutionärs. Was seine Referenzen als Müßiggänger angeht: Seine erste Gedichtsammlung, die er 1807 veröffentlichte, als er gerade 19 und Student am Trinity College in Cambridge war, trug den Titel Hours of Idleness. Er war außerdem Aristokrat, ein Mitglied der müßigen Reichen. Aber ihm gab diese finanzielle Unabhängigkeit die nötige Distanz, um die von der neuen
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