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Anleitung zum Müßiggang

Anleitung zum Müßiggang

Titel: Anleitung zum Müßiggang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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Sympathien als einem Verfechter der Freiheit ein. 1768 wurde er verhaftet, und 10000 Menschen versammelten sich vor dem Londoner Gefängnis, in dem er festgehalten wurde, und grölten: »Wilkes und Freiheit!«, »Keine Freiheit. Kein König.« Das Militär eröffnete das Feuer und erschoss sieben Menschen. Dieses Massaker führte zu weiteren Unruhen in ganz London. Der Historiker George Rudé zeigt in seiner Untersuchung Wilkes and Liberty (1962), dass die Aufrührer alles andere waren als ein Mob ungebildeter Rowdys, sondern gebildete Handwerker, die
    in St George’s Fields, in Hyde Park Corner, vor dem Mansion House, auf dem Parliament Square und vor St James’s Palace demonstrierten, die auf den Straßen der Stadt, in Westminster und Southwark, »Wilkes und Freiheit« brüllten oder mit Kreide an Mauern schrieben, die Sheriff Harley und den städtischen Henker am Royal Exchange verprügelten, als sie versuchten, die Nr. 45 von The North Briton niederzubrennen; die den Lords Bute und Egremont die Fenster einwarfen und dem österreichischen Gesandten die Stiefel beschmierten, mit Boot and Petticoat, Stulpenstiefel und Unterrock als Symbolen des verhassten Lord Bute (»Boot«) und der nicht minder verhassten Königsmutter durch die Straßen der Stadt paradierten und Colonel Luttrell und die Lords Sandwich und Barrington vor dem Tower von London als Strohpuppen verbrannten. Dieses sind die Elemente, die von Zeitgenossen und früheren Historikern – entweder aus Indolenz, Vorurteil oder Mangel an präzisem Wissen – »der Mob« genannt wurden.
    Eine weniger strapaziöse und beschwerliche Form des Protests ist der Streik, die Weigerung, jede Art nützlicher Arbeit zu verrichten, bis die uns drückenden Missstände zu Gehör gebracht worden sind und eine Einigung erreicht ist. Wer immer den Einfall mit dem Streik gehabt hat, er war ein Müßiggänger von Genie: was könnte aufreizender für die uns Regierenden sein, als nichts zu tun? Keine Arbeit, keine ordentliche Maloche, Arbeiter, die blaumachen, Leute, die den ganzen Tag herumstehen, nichts tun und nachdenken: das ist es, was unsere Herren nicht ertragen können. In der ersten russischen Revolution von 1905 löste die Mischung aus Aufständen und Streiks eine revolutionäre Leidenschaft aus, die einer ihrer zentralen Architekten, Lenin, voller Erregung beschrieb:
    25. Januar 1905: Blut fließt an vielen Stellen der Hauptstadt. Die Arbeiter in Kolpino erheben sich. Das Proletariat bewaffnet sich und das Volk. Es gibt Gerüchte, dass die Arbeiter das Waffenarsenal in Sestoretsk in ihre Gewalt gebracht haben. Die Arbeiter versorgen sich mit Revolvern, sie schmieden ihre Werkzeuge zu Waffen, sie verschaffen sich Bomben für einen verzweifelten Kampf um die Freiheit. Der Generalstreik breitet sich in die Provinzen aus. In Moskau haben bereits 10 000 Menschen die Arbeit eingestellt. Ein Generalstreik soll morgen in Moskau ausgerufen werden. In Riga ist ein Aufstand ausgebrochen. Die Arbeiter in Lodz demonstrieren, ein Aufstand wird in Warschau vorbereitet, Demonstrationen des Proletariats finden in Helsinki statt. In Baku, Odessa, Kiew, Charkow, Kaunas und Wilna gärt es unter den Arbeitern, und der Streik breitet sich aus. In Sebastopol stehen die Speicher und Arsenale der Kriegsmarine in Flammen. Streiks finden in Reval und Saratow statt. In Radom gab es einen bewaffneten Zusammenstoß zwischen Arbeitern und Reservisten und Truppen.
    Doch Lenin war alles andere als ein Müßiggänger im Geist; er war ein Bürokrat, getrieben und kalt. Und man muss sagen, wenn der Wille zum Aufruhr sich mit humorlosen revolutionären Führern wie Lenin und Cromwell verbindet, erhalten wir eine alles in allem noch deprimierendere Lage der Dinge – die Absetzung eines despotischen Regimes, das seine Verderbtheit wenigstens offen zur Schau trug, durch eine schwerfällige Bürokratie, die Grausamkeiten begeht, während sie den Anschein erweckt, damit dem öffentlichen Wohl zu dienen. Ein Königreich, ein sozialistischer Staat: beide sind dem Müßiggänger gleichermaßen zuwider. Anderseits ist es wahr: vor die Wahl gestellt, würde der Müßiggänger wahrscheinlich lieber unter König Karl II. leben, der zwar korrupt war, aber das Vergnügen liebte und die Theater wieder öffnete, als in der bigotten, verbissenen Republik eines das Vergnügen hassenden Cromwell.
    Die Ablösung einer alten Ordnung durch eine neue scheint die Probleme oft zu reproduzieren, wenn das Volk völlig machtlos

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