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Anleitung zum Müßiggang

Anleitung zum Müßiggang

Titel: Anleitung zum Müßiggang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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Biograf Walter Jackson Bate sagt, er »schätzte geistige Aktivität, den ständigen und raschen Gebrauch der Fantasie in der Anwendung von Wissen, während er gleichzeitig von der Bekanntschaft mit ›der lebenden Welt‹ Gebrauch machte, und er glaubte, dass diese Fähigkeiten sich am besten im lebhaften Geben und Nehmen der Konversation herausbildeten«.
    Johnson war jedoch ein gefährlicher Gegner in der Konversation. Einige seiner Freunde hatten Angst, in seiner Gegenwart auch nur ein Wort zu sagen, ja, manche klagten, dass er keine Gegenrede dulde. »Mit ihm ist kein Disputieren«, sagte der Geistliche John Taylor. »Er hört einen nicht an, und da er eine lautere Stimme hat als man selbst, brüllt er einen zwangsläufig nieder.« Seine Rücksichtslosigkeit in der Konversation wird von G. K. Chesterton hingegen als Zeichen eines im Grunde demokratischen Geistes gesehen. »Allein schon die Tatsache, dass er sich mit anderen Leute stritt, beweist, dass andere Leute mit ihm streiten durften. Gerade seine Rücksichtslosigkeit basierte auf dem Gedanken eines Gerangels unter Gleichen wie beim Fußball. Es ist unstrittig, dass er schrie und mit der Faust auf den Tisch schlug, weil er ein bescheidener Mann war. Er hatte aufrichtig Angst, an die Wand gedrückt oder etwa gar übersehen zu werden.« In What’s Wrong with the World vergleicht Chesterton Johnsons Demagogie mit der kultivierten Glätte von Addison, dem Gründer des Tatler und des Spectator , der, schreibt er, »zu jedermann höflich war, aber jedermann überlegen … ein höflicher Überlegener, [der] gehasst wurde.«
    In Platons Symposion (ca. 360 v. Chr.) redet Sokrates die ganze Nacht, bis alle eingeschlafen sind, außer Aristophanes und Agathon. La Rochefoucauld, der Denker des siebzehnten Jahrhunderts und Verfasser der Réflexions, einer knappen Sammlung von Reflexionen über die menschliche Natur, entwickelte seine Ideen und Aphorismen während seiner Besuche vieler Salons, vor allem des literarischen Salons der Mme. de Sablé. Diese Texte sind das Resultat kollektiven Nachdenkens, nicht einsamer Reflexion. Die Salons entwickelten Richtlinien für die Konversationsetikette und verboten Gespräche über Religion oder Politik, da diese Themen unvermeidlich zu Gebrüll, Grobheiten und der Zerstörung der Eintracht führten.
    In den Réflexions finden wir die Mahnung an ichsüchtige Unterhalter:
    Einer der Gründe, warum man so wenige Menschen findet, die in der Konversation vernünftig oder angenehm erscheinen, ist der, dass jeder eher über das nachdenkt, was er selbst sagen möchte, als über eine klare Antwort auf das, was zu ihm gesagt wurde. Die Klügeren und Höflicheren halten es für ausreichend, einfach eine aufmerksame Miene aufzusetzen, während man die ganze Zeit an ihren Augen und Gedankengängen sehen kann, dass sie weit entfernt von dem sind, was man gerade sagt, und erpicht, auf das zurückzukommen, was sie sagen wollen. Sie sollten sich indessen überlegen, dass solcher Eifer, sich selbst zufrieden zu stellen, ein schlechtes Mittel ist, andere zufrieden zu stellen oder zu überzeugen, und dass gut zuzuhören und zur Sache zu antworten, eine der vollkommensten Eigenschaften ist, die man in der Konversation haben kann.
    Aus genau diesem Grund, denke ich, geben Journalisten oft gute Unterhalter ab. Und das, weil sie (alles in allem) neugierig auf die Welt, auf andere Leute und Ideen sind. Sie möchten lernen; sie sind nicht der Meinung, im Besitz aller Antworten zu sein. Es ist diese Wissbegier, wegen der sie überhaupt Journalisten geworden sind. Ein Journalist ist kein Profi oder Fachmann; er ist ein Amateur, ein Wanderer, ein Suchender und hat nichts von der Arroganz eines Experten.
    Die Konversation ist eine Zwischenbeschäftigung, sie findet statt, wenn die angeblich wichtigen Geschäfte des Tages getan sind. Wir sehen darin eine Belohnung für die Arbeit; aber in Wahrheit führt sie zu mehr und besserer Arbeit, denn im Gespräch werden unsere Träume und Ideen in Worte gefasst und dargelegt. Wir tragen die Idee vor, unsere Freunde schränken sie ein und entwickeln sie. Beim Entwickeln von Ideen, schrieben die Musiker Bill Drummond und Jimmy Cauty in The Manual (1990), ihrem wunderbaren Buch über die Kreativität, ist den wenigsten bewusst, dass ihr bester Kumpel ein Genie ist.
    Die Liebe des Müßiggängers zur Plauderei wird leider von einer Gesellschaft verteufelt, die das Tun über alles preist. »Rede nicht drüber – tu es!«

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