Anleitung zum Müßiggang
(wie es De Quincey von dem legendären viktorianischen Müßiggänger John »Walking« Stewart tat). Die Leute preisen heute jemandes Energie und Leistungen und richten ihr Interesse eher auf das Endergebnis als auf den Entstehungsprozess. (David Beckham, nicht gerade für sein Konversationstalent bekannt, ist in der ganzen Welt ein Held.) Dann heißt es, zurück an die Arbeit.
Doch es ist kein Phänomen des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Lin Yutang beklagte den Tod der Kunst der Konversation bereits in den 1930er Jahren. Für ihn fraß die Beschleunigung des modernen Lebens die Mußestunden auf, die für eine echte Unterhaltung nötig sind. Die Zentralheizung war eine der Missetäterinnen:
Ich glaube …, dass mit der Verunstaltung des Heims zu einem Apartment ohne Kaminfeuer die Zerstörung der Kunst der Konversation begann, und der Einfluss des Automobils komplettierte sie. Das Tempo ist völlig falsch, denn Konversation lebt nur in einer Gesellschaft von Menschen, die durchdrungen sind vom Geist der Muße mit ihrer Zwanglosigkeit, ihrem Humor und ihrer Aufgeschlossenheit für Nuancen. Denn es gibt einen klaren Unterschied zwischen bloßem Reden und einer Konversation als solcher. Dieser Unterschied wird im Chinesischen zwischen shuohua (Sprechen) und t’anhua (Konversation) gemacht, was bedeutet, das Gespräch ist schwatzhafter und gemächlicher und die Themen der Unterhaltung sind belangloser und nüchterner.
Wie die Konversation ist das Kaminfeuer im Übrigen ein müßiggängerisches Vergnügen. Seine Vorbereitung, sein Betrachten – alles reine Wonne. An einem Feuer sitzen heißt nichts tun. Wie oft bemerkt wurde, hat seine Rolle als Mittelpunkt des Wohnzimmers inzwischen der Fernseher übernommen, der, so unterhaltsam und großartig er gelegentlich sein kann, kaum zu müßiger Unterhaltung verführt. Sich behaglich zu fühlen, ist der Schlüssel, sagt Yutang:
Wir können uns auf eine echte Konversation nur dann einlassen, wenn wir mit unseren engsten Freunden zusammenkommen und bereit sind, uns gegenseitig das Herz auszuschütten. Einer hat seine Füße auf einen Nachbartisch gelegt, ein anderer sitzt auf dem Fensterbrett und ein dritter sitzt auf dem Fußboden, mit einem Kissen gepolstert, das er sich vom Sofa geholt hat, dessen Sitzfläche nun zu einem Drittel ohne Polster ist.
Mitteilung ist das Herz der Konversation, das Miteinander-teilen von Ideen, Belustigungen und Geschichten. Und so wurde der Lebensstil von Thomas Paine, dem großen Revolutionär des achtzehnten Jahrhunderts um 1790 von einem Freund beschrieben:
Mr. Paines Leben in London war ein ruhiger Kreislauf von philosophischer Muße und Vergnügungen … Zu dieser Zeit las er nur wenig, machte nach dem Abendessen sein Nickerchen und spielte am Abend mit meiner Familie irgendein Spiel wie Schach, Domino oder Malen, doch niemals Karten, verbrachte ihn bei Rezitationen, Gesang, Musik etc. oder mit Konversation: Die Rolle, die er in Letzterer übernahm, war immer aufgeklärt, voller Informationen, unterhaltsamen Dingen und Anekdoten. Gelegentlich besuchten wir aufgeklärte Freunde … oft saß er im White Bear, Picadilly, mit seinem alten Freund, dem Walking Stewart, und anderen klugen Reisenden aus Frankreich und verschiedenen Teilen Europas und Amerikas. Wenn wir allein waren, saßen wir bis sehr spät und wurden oft von den Morgenstunden darin unterbrochen, dem gegenseitigen Austausch liebevoller und vertraulicher Mitteilungen zu frönen.
Es war dieser Gedankenaustausch, diese Zeit des Wanderns, Redens und Lesens, die 1792 zur Veröffentlichung von Paines großem Werk über die menschliche Freiheit führten, The Rights of Man. Das Buch ist selbst im Grunde eine Art Konversation: Es ist eine feurige Erwiderung auf Edmund Burkes Angriff auf die Prinzipien der Französischen Revolution.
Aber die Konversation begünstigt nicht nur die Entstehung von Ideen, sie bietet auch die Möglichkeit, den Ideen Ausdruck zu verleihen, und die Geschichte der Konversation als literarischer Form ist lang. Oscar Wildes große Essays über Kunst und Anarchie, »The Soul of Man under Socialism« und »The Critic as Artist«, sind in Dialogform geschrieben, wie natürlich auch Platons Dialoge. Im Idler nennen wir unsere Interviews »conversations«, und sie haben die Form einer redigierten Transkription einer langen, planlosen Plauderei. Die Gründe hierfür sind zweierlei: erstens springe ich immer zu den Stellen, an denen der Interviewte redet, wenn ich
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