Anleitung zum Müßiggang
erheben«, sagen sie und wedeln mit ihren Basilikumzweigen, der Blume des Karnevals.
Was für eine wunderbare Idee! Und man könnte die Ansicht vertreten, dass diese Sitte auch in England und sonstwo existiert, wenn auch inoffiziell. Ich habe oft den Ausspruch gehört: »Festivals zählen nicht«, wenn es darum ging, Seitensprünge während einer Drei-Tage-Fete zu entschuldigen. Ich habe aber das Gefühl, wenn ich nach einer dreitägigen Sexfete nach Hause käme und meiner Freundin mit einem Basilikumzweig vor der Nase herumwedelte, sie würde mir nie verzeihen.
Das letzte große Problem mit dem Sex ist dieses: während wir meinen, allein er könne uns befreien, versklavt er uns schließlich, wie es auch bei anderen müßigen Freuden wie Alkohol und Drogen der Fall ist. Von den Freuden des Sex verführt, können wir süchtig werden. William Blakes Gedicht Song von 1783 bringt genau diese Warnung:
Wie schön schweift ich von Tal zu Tal
und freute mich am Sommerblühn,
bis eines Tags im Sonnenstrahl
der Fürst der Liebe mir erschien.
Er wies mir Lilien für mein Haar
und Rosen rot für meine Brust;
er bot mir seine Gärten dar,
drin wächst all seine goldne Lust.
Der Maitau meine Schwingen netzt’,
und Singen lernt von Phöbus ich.
Er fing mich ein mit seidnem Netz
und sperrt’ in goldnen Käfig mich.
Nun sitzt er da und hört mir zu
und scherzt und spielt mir zum Verdrieß,
klappt meine Schwingen auf und zu
und lacht, dass ich mich fangen ließ.
Blake warnt uns vor diesem schrecklichen und unfairen Paradox, dass gerade die Freuden, denen wir nachjagen, um unserem Verlangen nach Freiheit Ausdruck zu geben – Drogen, Sex und Alkohol –, diejenigen sind, die zur Sucht und zum Gefängnis werden können.
Eine Lösung wäre vielleicht in der Mäßigung zu finden, bei den Lastern wie bei den Tugenden. Aber ist es möglich, ein bisschen treu, ein bisschen gut zu sein? Könnten wir es uns gestatten, ein bisschen schlecht zu sein? Gelegentlich ungezogen? Es scheint mir vernünftig, den Teufel ab und zu aus seinem Käfig herauszulassen, sonst könnte er hereinplatzen, wenn man nicht mit ihm rechnet.
2 UHR NACHTS
Die Kunst
der Unterhaltung
Un véritable ami est le plus grand de tous les biens.
La Rochefoucauld , Réflexions (1665)
Ich liebe die Korrespondenz a viva voce bei einer Flasche mit sehr viel Lärm und sehr viel Unsinn.
Joshua Reynolds (1723–1792)
Der Müßiggänger hat Vergnügen an irdischen Freuden. Weder die strenge Selbstverleugnung des Mönchs ist etwas für ihn noch sind es die alkoholfreien, sportversessenen, routineversessenen Angewohnheiten der Streber im einundzwanzigsten Jahrhundert. Mit Freunden, alten und neuen, Reden, Ideen und Geschichten austauschen, das ist sein Lebenselixier. Er liebt Gesellschaft, er liebt es zu quatschen und bequatscht zu werden. Er liebt es, mit anderen um einen Tisch herum zu sitzen und so versunken in den Augenblick zu sein, dass er alles Zeitgefühl vollkommen verliert. Und plötzlich sagt dann jemand erstaunt: »Es ist zwei!« Die Zeit vergeht wie im Fluge. Aber wie anders bewegt sie sich, wenn wir an unserem Arbeitsplatz sind. Am übelsten sind diese endlosen Stunden zwischen zwei und sechs am Nachmittag. Sie sind die toten Stunden, die sich dahinschleppenden Stunden. Als ich in einem Geschäft arbeitete, waren diese Nachmittagsstunden die reinsten Höllenqualen. Wenn sie endlich vorbei waren und wir Kasse machen und abschließen durften, gingen wir üblicherweise in den Pub, und vier oder fünf Stunden vergingen im Nu. Und wenn der Pub schloss, lechzten wir noch immer nach mehr.
Ich liebe das achtzehnte Jahrhundert, und das, weil damals mehr als in anderen Epochen die Konversation durch Joseph Addison, Richard Steele, Dr. Johnson, Richard Savage, Oliver Goldsmith, Garrick, Reynolds, Boswell und viele andere zu einer Kunstform erhoben wurde. Es war die Ära der Clubs und Cafés. Boswells The Life of Samuel Johnson ist vor allem eine Würdigung der Freuden der Konversation. Über die Clubs machte Hogarth sich in seinem ironisch betitelten Stich Midnight Modern Conversation lustig, der eine Szene voller Verderbtheit, Suff und Geilheit darstellt. Was sich »Konversation« nannte, war in Wirklichkeit oft eine unattraktive Ansammlung von kotzenden, fummelnden, krakeelenden und pennenden Leuten. Aber auch das ist lustig.
Heute scheint uns diese Kunst abhanden gekommen zu sein. Selten machen wir eine Bemerkung über jemandes »ungezwungene Eloquenz«
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