Anleitung zum Müßiggang
denen, die das Paradies der Opiumesser betreten haben, auch nur die Hälfte des Genusses gehabt haben kann, den ich hatte.« De Quincey mischte sich auch unter »die Armen« bei deren Samstagabendpartys und wanderte dann auf dem Weg nach Hause ziellos durch die Seitengassen Londons.
Die Behörden versuchen gelegentlich, gegen unser Recht zu feiern hart vorzugehen. Sex, Drogen und Rock ’n’ Roll schrecken unsere Oberen. Die neunziger Jahre in England waren geprägt von Versuchen der bürokratischen Plagegeister, Gesetze gegen Raves und Partys zu erlassen. Diese Versuche hörten bezeichnenderweise auf, als man dahinter kam, dass sich unsere Clubkultur in eine gigantische Industrie verwandelte, die Touristen anlockte und gelackten Schnöseln Profite einbrachte. Die ganze Szene wurde immer bürgerlicher.
Am Ende wird für gewöhnlich ein Kompromiss geschlossen: Die Party geht weiter.
Der Kirche des Mittelalters war klar, dass Feten ein menschliches Bedürfnis waren, und gestattete deswegen verschiedene Feste im Jahr. Die Tradition lebt weiter in Festivals wie dem alljährlichen Glastonbury Music Festival, von dem ich vor drei Tagen zurückgekommen bin und mich immer noch erhole. Glastonbury ist eine irre Angelegenheit: für drei Tage oder mehr kommen 150 000 Menschen auf einem 400 Acres (etwa 160 ha) großen Gelände zusammen, um Musik zu hören, zu trinken, zu reden, zu tanzen und Drogen zu nehmen. Hier wird im Grunde der 3-Uhr-Augenblick auf 72 Stunden ausgedehnt: keine Fakten, nur Spaß. Der Anblick so vieler Menschen, die ihrem Vergnügen nachgehen, ist seltsam bewegend und erhebend. Diejenigen, die das als bloßen Hedonismus abtun wollen, haben wenig Verständnis für die tiefen menschlichen Bedürfnisse, die das Festival erfüllt. Glastonbury, das bedeutet Menschen, die ohne kommerziellen Druck miteinander reden und tanzen. Alles Lebensnotwendige steht reichlich zur Verfügung, und so widmet man jede Faser seines Herzens dem Vergnügen. Es ist eine vorübergehende Rückkehr zu einem urzeitlichen Zustand: kein Wettstreit, kein Streben. Man kann reden und sich herumtreiben, nichts tun – drei Tage lang. Das ist wirklicher Luxus. Der Höhepunkt des diesjährigen Festivals war das Joe Strummer Memorial Camp Fire, das von seiner Witwe Lucinda und anderen Freunden organisiert wurde. Bestehend aus einem Feuer, das nie ausging, einem Kreis von Schemeln aus Baumstämmen zum Sitzen, einem aufgerichteten Stein und einem Reggae-Soundsystem war es ein Zentrum aus Sicherheit, Spaß und Entspannung. Es gab einen kleinen Einblick, wie das Leben sein sollte und könnte.
Das Feiern, schreibt der Philosoph Theodor W. Adorno 1953 in einem Essay, ist uns angeboren. Es ist ein Instinkt, dem wir nachgeben und den wir nicht unterdrücken sollten:
Wenn die Befriedigung instinktmäßiger Triebe verweigert oder hinausgeschoben wird, sind sie selten unter verlässlicher Kontrolle zu halten, sondern die meiste Zeit bereit durchzubrechen, falls sie eine Gelegenheit dazu finden. Diese Bereitschaft durchzubrechen wird gesteigert durch das problematische Wesen der Vernunft, die ein Hinausschieben unmittelbarer Wunscherfüllung um späterer vollkommener und permanenter Freuden willen empfiehlt.
Mit anderen Worten: Gelegenheit zum Traurigsein werdet ihr später noch reichlich haben, warum also nicht jetzt ein bisschen Vergnügen? Die von der britischen und der amerikanischen Regierung unterstützten düster drohenden, lebensfernen und gönnerhaften »Sag einfach Nein«-Kampagnen gegen freudespendende Drogen sind zum Scheitern verurteilt. Nicht zuletzt deshalb, weil so viele Leute einfach »ja« sagen. Wir sind ein verwirrend überzeugter Schlag von Menschen. Wir sind, um den Ausdruck, den der Oasis-Sänger Liam Gallagher geprägt hat, »mad for it«, drauf versessen. Wir sind mit einem vergnügungssüchtigen Muskel ausgestattet, der trainiert werden will.
Das einzige Problem beim Hedonismus ist: er ist so angenehm, dass er zur Sucht werden kann, und allzu häufige Ausschweifungen können der Gesundheit ernsthaften Schaden zufügen. Nachdem ich mit Ende zwanzig/Anfang dreißig heftigst gefetet hatte, machte ich mir ernstlich Sorgen, dass ich Alkoholiker werden könnte. Aber ich habe festgestellt, dass die Umstände sich geändert haben, weil ich älter geworden bin, und dass ich sehr viel seltener auf Partys gehe – nicht durch eine Willensentscheidung, sondern einfach, weil es sich so ergeben hat. (Und wenn es jemals einen Grund gegeben
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