Anleitung zum Müßiggang
das zweite das chronische Vergnügen; das eine ist eine Flamme, das andere ein stetiges und gleichmäßiges Glühen.
»Ein stetiges Glühen« könnte auch als Beschreibung der Ecstasy-Erfahrung dienen. Diese Stetigkeit macht es möglich, sehr lange zu tanzen und in Trance zu verfallen; zu repetitivem Verhalten wird angefeuert, wir leben im Augenblick, es gibt keine Planung und keine Erinnerung, nur die einfache Freude am Dasein. Das ist, oder war, die Attraktion von Ecstasy. Und für jemanden wie mich, der gedacht hatte, mit 22 Jahren sei es an der Zeit, »aufzuwachen«, sich dahinterzuklemmen und eine Karriere zu starten, war das durch Ecstasy erzeugte Hochgefühl, die Musik und das Tanzen die ganze Nacht hindurch zutiefst befreiend. Der radikale Chemiker Alexander Shulgin beschreibt das Gefühl so:
Ich fühlte mich im Innern absolut sauber und es herrschte nichts als reine Euphorie. Ich habe mich noch nie so großartig gefühlt, nie geglaubt, dass das möglich wäre. Die Sauberkeit, Klarheit und das wunderbare Gefühl solider innerer Kraft hielten den Rest des Tages und Abends und den ganzen nächsten Tag hindurch an.
Man mixe diese innere Kraft mit Musik, und es kommt Hedonismus heraus, aber für meine Generation war der Hedonismus jener Jahre kein bloßer Eskapismus: Er gewährte uns einen Einblick in die Möglichkeit, wie Dinge sein könnten, er verschaffte uns einen flüchtigen Blick auf einen primitiveren Seinszustand ohne Feindschaft und Begierden, voller Freude am Leben und am Aufgehen des Ichs im Kollektiv. De Quincey äußerte sich ähnlich über das Opium, das, schrieb er, »einfach die Art vitaler Wärme schenkt, die von der Urteilskraft gebilligt wird und wahrscheinlich stets eine körperliche Konstitution von urzeitlicher oder vorsintflutlicher Gesundheit begleiten würde . . . eine gesundheitliche Wiederherstellung eines Zustandes, den der Geist nach der Beseitigung aller schmerzhaften Reizungen, welche die Regungen eines ursprünglich rechtschaffenen und guten Herzens gestört und mit ihnen gestritten hatten, auf natürlichem Wege wiedererlangen würde … der Opiumesser … spürt, dass der göttlichere Teil seines Wesens überwiegt.«
Die Müßiggänger sind natürlich der Ansicht, dass solche Rauschzustände eine menschliche Notwendigkeit sind und von allen Kulturen in der ganzen Welt praktiziert werden. Sie benutzen diese Argumente, um ihre Gewohnheiten zu verteidigen. In der Tat ist oft behauptet worden, dass rasendes Tanzen sich einer spirituellen Erfahrung annähern kann. »Ein Rabbi, den ich interviewte, sagte mir, die größte Chance für junge Menschen, eine mystische Erfahrung zu erleben, ist heute die, beim Tanzen Drogen wie LSD und Ecstasy zu nehmen«, sagte der alternative Denker Nicholas Saunders, Autor von E for Ecstasy (1993), als ich ihn 1995 interviewte. Er sagte auch, ein Zen-Mönch habe im rasenden Tanz Gott geschaut. »Zuallererst konnte er die Musik nicht ertragen, dann sagte er: ›Das ist Meditation. Diese Menschen leben vollkommen im Augenblick. Sie haben den inneren Dialog ausgeschaltet.‹«
Die Musik ist natürlich von zentraler Bedeutung für die 3-Uhr-Erfahrung. Die Musik ist die magischste aller Künste. Ihre Verwandlungskraft ist geradezu übernatürlich. Die Musik hat die Macht, unsere Stimmung innerhalb von Sekunden von Trübsal in Freude zu verwandeln. Sie kann uns stundenlang in Trance versetzen. Sie kann dem Körper helfen, Kunststücke körperlicher Geschicklichkeit zu vollführen, die ohne sie unvorstellbar wären.
Das Tanzen ist einzigartig unter den Kunstformen, weil es nichts hinterlässt; es wird zu seiner eigenen Freude ausgeführt; es ist auf erhabene Art und Weise nutzlos und unegoistisch. Man kann es nicht signieren und verkaufen. Coleridge hat gesagt, die drei ersten Künste waren die Architektur, das Kochen und die Kleidung. Aber ich denke, das Tanzen war die erste. Schließlich kann man nackt tanzen und in einer Höhle wohnen, und wenn sich um einen herum die Äste unter der Last der Früchte biegen, besteht keine große Notwendigkeit zu kochen.
De Quincey war kein Tänzer, aber er hat über die wunderbare Erfahrung geschrieben, im Rausch Musik zu hören; in seinem Fall war es die Oper am Samstagabend, der er lauschte, während er unter Opium stand. »Die Chöre waren göttlich anzuhören, und als die Grassini … als Andromache am Grabe Hektors ihre leidenschaftliche Seele erklingen ließ etc., fragte ich mich, ob irgendein Türke von all
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