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Anleitung zum Müßiggang

Anleitung zum Müßiggang

Titel: Anleitung zum Müßiggang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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hat, der mich davon abhielt, zu viel zu trinken, dann war es die Angst, irgendwann mal zu den AA zu gehören, nie wieder trinken zu dürfen und Teil des »Programms« zu sein.) Natürlich, wenn kleine Kinder auf der Szene erscheinen, haben wenige Leute genug Energie (oder Personal), um ständig über die Stränge zu schlagen. Wenn man früh um halb sieben aufstehen muss und während der Nacht auch, ist das schon anstrengend genug, auch ohne dass man sich den Strapazen einer heftigen Lebensführung aussetzt. Ich unternehme immer noch meine altgewohnte Sauftour, aber viel seltener als früher, vielleicht nur drei- oder viermal im Jahr. Ich versuche auch eine Erholungsphase einzubauen: viel Schlaf, um Körper und Geist wieder in eine angenehme Verfassung zu bringen. Und das scheint im Augenblick zu reichen, um den nach Vergessen Suchenden in mir zu befriedigen.
    Im Vergleich mit dem Leben auf Partys kann außerdem ein nüchternes ziemlich fade wirken, was zu dem ungesunden Phänomen führt, auf das Wochenende hin zu leben und sich die ganze Woche niedergeschlagen und kraftlos zu fühlen. Der echte Müßiggänger hat den Wunsch, ständig ein gutes Leben zu haben, nicht nur an Samstagabenden. Und die wahre Lehre des Hedonismus ist, dass wir versuchen sollten, alle Momente zu genießen, nicht bloß die, in denen wir außer Rand und Band sind. Zeit sollte man auskosten, nicht ertragen. Der Hedonismus sollte Ideen liefern, wie man leben könnte; er sollte nicht zur Lebensart an sich werden, denn das ist nicht durchzuhalten. William Blakes Satz: »Der Weg der Ausschweifung führt zum Palast der Weisheit« wird oft von notorischen Verschwendern zur Rechtfertigung ihres Verhaltens gebraucht. Aber allzu oft bleiben sie auf der Strecke und erreichen nie den ersehnten Palast.
    Ich vermute zudem, dass ein ständiges Party-Leben leicht zu harter Arbeit ausarten kann. Die geistige und körperliche Anstrengung, jederzeit ausgehen zu müssen, wird zur Strapaze. Man beginnt zu denken, man versäumt was, und besucht jede Veranstaltung, die einem geboten wird, nur weil ja gerade diese sich als die legendäre erweisen könnte. Da wird die Fete zur lästigen Pflicht – einer Gewohnheit, die kein Vergnügen mehr ist.
    3 Uhr nachts ist nicht nur Spaß. Das ist auch die Zeit, zu der die Dämonen ins Spiel kommen, wenn sie es wünschen. Ich habe nicht viele dunkle Seelennächte erlebt, aber wenn, dann war es ziemlich grauenhaft. An eine Nacht erinnere ich mich sehr deutlich. Der 3-Uhr-Augenblick schien sich ins Endlose zu dehnen. »In einer wahren dunklen Seelennacht ist es immer drei Uhr morgens«, schrieb F. Scott Fitzgerald 1936 im Esquire. Und diese Nacht war besonders lang und besonders grauenhaft. Schauerliche grinsende Trugbilder und Kobolde tanzten in meinem Kopf herum und brachten mich ins Schwitzen, und ich setzte mich erschrocken auf. Die Barrieren in meinem Bewusstsein waren zusammengestürzt, und herein strömten die entsetzlichsten Schreckbilder. Zum Glück überwiegen meine guten 3-Uhr-Augenblicke meine schlechten, und niemand hat gesagt, der Weg zum Nichtstun werde einfach sein.
    Und wenn die Party vorbei ist, gehen wir nach Hause. Das war das andere große Vergnügen in den Ravejahren – die Abdampf-Runde bei irgendjemandem zu Hause, wo wir herumsaßen, während die Morgendämmerung anbrach, Fernsehen guckten, ein letztes Bier tranken, quatschten oder einfach nur ins Leere starrten. Wir hatten es uns nach all den Anstrengungen der letzten acht Stunden verdient. Mein Freund James nannte es »die Belohnung«. Und an der Ruhe dieses Augenblicks war etwas Besonderes, etwas, das einer Meditation sehr ähnlich sah, der Form des Müßiggangs, der wir uns jetzt zuwenden.

4 UHR MORGENS
    Meditation
    Numquam se minus otiosum esse, quam cum otiosus,
    nec minus solum, quam cum solus esset.
    (Niemals weniger untätig als wenn völlig untätig;
    und niemals weniger allein als wenn völlig allein.)
    Cicero (106–43 v. Chr.) De officiis
    Den ganzen Tag keine Pläne
    Und ich bleibe ruhig
    Wang Wei (698–759) »Erwiderung an Chang Yin«
    Es gibt keine reinere Form des Nichtstuns als die Meditation. Dabei wird stundenlanges absolutes Nichtstun zur spirituellen Suche erklärt.
    Meditieren ist ein Weg, mit einer inneren Dimension in Verbindung zu treten, dem Geist, der Seele, einer Art absolutem Sein, das vom rationalen Oberbewusstsein weitgehend ignoriert wird. Nach dem Unterbewusstsein suchen wir beim Meditieren, jenem Teil unseres Ichs, das

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