Anleitung zum Müßiggang
mehr! Der Angriff auf den Schlaf ist in letzter Zeit von den Pharmakonzernen wieder aufgenommen worden, um ihre sinistren Pillen und Tränke an den Mann zu bringen. Vor kurzem brachte eine Fernsehdokumentation über die Schlafsucht Interviews mit Wissenschaftlern, die behaupteten, sie hätten im Gehirn einen Stoff entdeckt, Orexin, der uns wach hält, und die alternative US-Zeitschrift Utne berichtete kürzlich, dass Pharmafirmen hoffen, diesen Stoff herstellen zu können. Sie wollen aus unserer Leidenschaft für die Arbeit Kapital schlagen, indem sie Medikamente entwickeln, die das Wachsein steigern:
Mittel gegen bestimmte Störungen finden größere Märkte. Provigil, ein Mittel gegen Narkolepsie, eine Schlafstörung, erregt Aufmerksamkeit als potentielle Hilfe zum Wachbleiben für gesunde Erwachsene … [Pat Mooney, Kritiker der Pharmaindustrie, sagt:] »Arbeiter könnten gezwungen werden, stimmungsverändernde Medikamente zu nehmen, welche die Unzufriedenheit vertreiben.«
Diese Entwicklung ist von Dr. Michael Smith vorausgesehen worden, der 1995 im Idler schrieb: »Man kann ziemlich sicher sein, dass die hypnotischen ›Wunderdrogen‹ der Zukunft darauf abzielen werden, unser Bedürfnis nach und unser Vergnügen am Schlaf eher zu reduzieren als zu fördern.« Ich sehe in der Londoner U-Bahn Plakate, die für Energiedrinks und -pillen werben, die dem Verbraucher Schlaflosigkeit versprechen. Eine aktuelle Werbung benutzt den Slogan: »Abgeschlafft? Musst du nicht sein.« Sie behauptet, dass so eine »Tagesmüdigkeit« durch kleine Kapseln mit verschiedenen Vitaminen »besiegt« werden kann. Man findet keine Plakate in der U-Bahn, auf denen es heißt: »Müde? Dann schlaf mehr«, weil noch niemand herausgefunden hat, wie man damit Geld verdienen kann. Energieprodukte sind eine clevere Idee, weil uns allen Schlaf fehlt. Aber wem dient dieses Wachsein? Unseren Arbeitgebern. Schluck diese Pille, sagt die Werbung, und sie macht dich leistungsfähiger, wacher, damit du imstande bist, noch härter für deinen Chef zu arbeiten und vielleicht deinen Job behältst. Auf der anderen Seite werden schlaffördernde Medikamente wie Valium und Tamazepam – von Drogis heiß geliebt, weil sie sie nach einer Nacht mit Aufputschmitteln wieder runterbringen – so allmählich verfemt. Ich sehe eine Schöne Neue Welt mit unter Drogen stehenden Automaten voraus, die im Streben nach Effizienz und Produktivitäts-Leistungssolls rund um die Uhr arbeiten.
Die Weisen andererseits haben den Schlaf lange gepriesen, diesen geheimnisvollen körperlichen Sendeschluss und Freund der Betrübten. Dr. Samuel Johnson, selbst ein gewaltiger Schläfer, sah im Schlaf den großen Gleichmacher. Wenn dir traurig zumute ist, empfiehlt er, stell dir einfach all die großen Männer unserer Zeit vor, wie sie sich in Fötalhaltung im Bett zusammenrollen, während sie darauf warten, ins Land der Träume befördert zu werden:
Aller Neid wäre zum Schweigen gebracht, wäre es allgemein bekannt, dass keiner zu beneiden ist und dass sicherlich keiner beneidet werden kann, der mit sich nicht zufrieden ist. Es gibt Grund zu der Vermutung, dass die Unterschiede der Menschheit mehr Schau als Wert besitzen, wenn sich herausstellt, dass alle sich darin einig sind, der Freuden und Sorgen gleichermaßen müde zu sein; dass die Mächtigen und die Schwachen, die Berühmten und die Unbekannten sich in einem gemeinsamen Wunsch vereinen und aus der Hand der Natur den Nektar des Vergessens erflehen.
Der große Renaissance-Essayist Montaigne liebte den Schlaf; enttäuscht war er nur, dass man sich dessen Freuden nicht bewusst ist, wenn man schläft. Er gab deshalb seinem Diener die Anweisung, ihn mitten in der Nacht zu wecken, damit er halb wach würde, um das Gefühl der Schläfrigkeit genießen zu können, und dann das Vergnügen zu haben, wieder einzuschlafen. Schlaf ist eine Pause von der Arbeit, eine Entlassung aus der Verantwortung. Unter eine Decke gekuschelt schieben wir unsere Pflichten auf und geben uns einer größeren Macht hin. Der Schlaf kann auch wie ein Wunder auf unsere Kümmernisse wirken. Er kann Sorgen lindern. Das folgende Sonett des elisabethanischen Dichters Samuel Daniel preist diese Wirkung des Schlafes:
Komm, Tröster Schlaf, du Sohn der düstren Nacht,
Bruder des Tods, geborn in stillem Dunkel,
Lös meine Mattheit, und gebier das Sterngefunkel,
damit ein Ende meinen Sorgen wird gemacht.
Und lass den Tag genügen fürs Betrauern
Des Scheiterns
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