Anleitung zum Unglücklichsein (German Edition)
einem ganz neuen Rezept – schmeckt sie dir?« Wenn sie ihm schmeckt, kann er ohne weiteres »ja« sagen, und sie wird sich freuen. Schmeckt sie ihm aber nicht und ist es ihm außerdem gleichgültig, sie zu enttäuschen, kann er ohne weiteres verneinen. Problematisch ist aber die (statistisch viel häufigere) Situation, daß er die Suppe scheußlich findet, seine Frau aber nicht kränken will. Auf der sogenannten Objektebene (also was den Gegenstand Suppe betrifft) müßte seine Antwort »nein« lauten. Auf der Beziehungsebene müßte er »ja« sagen, denn er will sie ja nicht verletzen. Was sagt er also? Seine Antwort kann nicht »ja« und »nein« sein, denn das Wort »jein« gibt es in der deutschen Sprache nur als Witz. Er wird also versuchen, sich irgendwie aus der Zwickmühle zu winden, indem er zum Beispiel sagt: »Schmeckt interessant«, in der Hoffnung, daß seine Frau ihn richtig versteht 6 . Die Chancen sind minimal. Da empfiehlt es sich schon eher, dem Beispiel eines mir bekannten Ehemannes zu folgen, dessen Frau ihm nach der Rückkehr aus den Flitterwochen beim ersten Frühstück im neuen Heim eine große Schachtel Cornflakes auf den Tisch stellte, in der (auf der Beziehungsebene) wohlgemeinten, aber (auf der Objektebene) irrtümlichen Annahme, daß er sie gern äße. Er wollte sie nicht kränken und nahm sich vor, das Zeug halt in Gottes Namen zu schlucken und sie dann, wenn die Schachtel leer war, zu bitten, keine neue zu kaufen. Als gutes Weib aber hatte sie aufgepaßt, und noch bevor die erste Schachtel ganz aufgebraucht war, stand bereits die zweite da. Heute, 16 Jahre später, hat er die Hoffnung aufgegeben, ihr schonend beizubringen, daß er Cornflakes haßt. Ihre Reaktion könnte man sich ausmalen.
Übrigens ist die deutsche Umgangssprache wenigstens in dieser Hinsicht noch etwas klarer als zum Beispiel die englische oder italienische. »Would you like to take me to my plane tomorrow morning?« (wer fährt schon gerne um sechs Uhr morgens zum Flugplatz?) oder »Ti dispiacerebbe far la cena stasera?« (selbstverständlich habe ich keine große Begeisterung, wenn ich beim Nachhausekommen von der Arbeit auch noch kochen soll) sind klassische Beispiele. Ja ja, ich weiß, die »richtige« Antwort müßte separat auf den beiden Kommunikationsebenen gegeben werden, also zum Beispiel: »Nein, zum Flugplatz als solchem zieht mich aber auch gar nichts; doch den Gefallen, dich hinzubringen, tu ich dir gern.
Die Bedeutung dieses Kommunikationsmusters für unser Thema dürften Sie nunmehr bereits ahnen. Denn selbst wenn es der Partner fertigbringt, in der eben erwähnten Weise zu antworten (und wer drückt sich schon so gespreizt aus?), kann der andere die Situation zu einem Problem breittreten, indem er den Gefallen nur dann anzunehmen gewillt ist, wenn der Partner auch wirklich gern zum Flugplatz fährt. Und wie jener sich nun auch dreht und windet, den Fallstricken der Vermischung von Objekt- und Beziehungsebene wird er nicht entkommen. Am Ende dieser fruchtlosen Debatte werden beide wütend aufeinander sein. Sie sehen, das Rezept ist verhältnismäßig einfach, sobald man den wichtigen Unterschied zwischen diesen beiden Kommunikationsebenen erfaßt hat und daher imstande ist, sie nicht nur irrtümlich, sondern bewußt durcheinanderzubringen. Eines der erbaulichsten mir bekannten Beispiele ist die als Kapitelüberschrift erwähnte Konfusion zwischen Knoblauch und Liebe.
Der Grund, weshalb diese Konfusionen auch dem Anfänger leichtfallen, hat mit der Schwierigkeit von Aussagen auf der Beziehungsebene zu tun. Über Gegenstände – Knoblauch inbegriffen – läßt sich ziemlich leicht sprechen – aber über die Liebe? Versuchen Sie es nur einmal ernsthaft. Noch sicherer, als die Erklärung eines Witzes dessen Humor abtötet, führt das Palavern über die scheinbar selbstverständlichsten Formen menschlicher Beziehungen fast garantiert in immer größere Probleme. Als beste Zeit für derartige »Aussprachen« empfiehlt sich der späte Abend. Um drei Uhr morgens ist dann auch das zunächst einfachste Thema bis zur Unkenntlichkeit zerredet, und beide Partner sind am Ende ihrer Geduld. Schlafen können sie dann aber nicht.
Als weitere Verfeinerung dieser Technik bietet sich eine bestimmte Art von Fragen und eine besondere Kategorie von Forderungen an. Ein Paradebeispiel für erstere wäre: »Warum bist du zornig auf mich?«, wenn, soweit es dem Befragten selbst bekannt ist, er weder auf den
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