Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
nannte, dem Tag dabei zuzusehen, wie er langsam verstrich.
»Ja, du bist lockerer, und du bist fröhlicher, und du hast endlos viel mehr Zeit, aber du bist nicht meine Mutter! Also sag nie wieder Junge zu mir!«, schrie Eike sie an und erhob dabei den Zeigefinger. »Und es ist mir peinlich, wenn du so rumläufst und meine Freunde mich besuchen kommen!«
Sie zuckte zusammen, und Hero bekam den Mund nicht mehr zu.
»Ich weiß ja nie, ob die mich besuchen kommen oder dich! Wieso musst du mit jedem meiner Klassenkameraden flirten? Reicht dir mein Papa nicht?«
»Eike!« Hero ermahnte seinen Sohn mit tiefer Stimme und strengem Blick, aber Eike war nicht mehr zu bremsen. Er rannte zur Tür und ließ sie hinter sich ins Schloss knallen.
Der Streit hatte ihn erhitzt, und der frische Wind tat zunächst gut. Mit schnellen Schritten ging Eike zum Ende der Straße. Kaum war er um die Ecke gebogen, da wurde ihm auch schon kalt.
Er ging vom Nordholz bis zur Hauptstraße und hielt den Daumen in den Wind. Er hoffte darauf, in die Norder Innenstadt oder nach Norddeich mitgenommen zu werden. Dort hatte er Freunde genug. Gerüchteweise hatte er gehört, dass Leute vom Ulrichs-Gymnasium eine Fete planten, aber das war zweitrangig. Hauptsache, erst mal weg hier.
Er hatte sich noch nicht ganz entschieden, ob er am Ende zu seiner Mutter oder zu Rebekka Simon wollte, um dort zu übernachten. Aber er war sich sicher, dass beide Frauen sofort bereit wären, ihn abzuholen. Ein Anruf würde genügen.
Er stand nur ein paar Minuten, da hielt auch schon ein Auto. Das langgestreckte schwarze Fahrzeug erinnerte ihn an einen Leichenwagen, aber er freute sich über die Mitfahrgelegenheit und nahm auf dem weich gepolsterten Sitz Platz.
Susanne Möninghoff saß zerknirscht am Frühstückstisch und rührte in ihrem Sanddorn-Quark-Müsli herum, als könne sie dort auf eine Goldquelle stoßen oder zumindest die Antwort auf all ihre Fragen finden. Sie sah Hero nicht an, denn sie befürchtete nun auch einen Angriff von ihm.
Sie fragte sich gerade, ob sie alles falsch gemacht hatte, und sprach in Richtung Müsli: »Wir haben doch wirklich alles getan. Der Junge ist so ungerecht. Was haben wir ihm nicht alles ermöglicht?! Gitarrenstunden, Klavierstunden, Schlagzeugstunden, dabei ist er unmusikalisch wie die deutsche Nationalelf.«
»Darum geht es nicht«, sagte Hero. »Der Junge ist in einer schweren seelischen Krise.«
Sie hob den Löffel aus dem Müsli und ließ ihn hart auf den Tisch knallen. »Aber das mit dieser Frau geht doch nun wirklich zu weit. Oder hab ich da etwas Falsches gesagt?«
»Nein, hast du nicht. Aber vielleicht sollten wir etwas sensibler damit umgehen. Man weiß nie, wo die Liebe hinfällt. Wir sollten das zunächst akzeptieren und nicht einfach auf ihn losgehen.«
Ihre schlimmste Vorstellung schien sich zu realisieren. Jetzt ging es also gegen sie.
»Ich bin nicht auf ihn losgegangen!«, fauchte sie und zog sich in einer Verteidigungsposition auf der Küchenbank zurück. Ihr Gesicht sagte:
Was bist du nur für ein Vater, wenn du so etwas akzeptieren willst?
Aber ihre Lippen formulierten es ein wenig anders.
»Die ist so alt wie ich! Die sollte sich doch was schämen!«
Hero lächelte milde. »Nein, das ist sie nicht. Sie hat lediglich, im Gegensatz zu ihm, bereits Abitur gemacht und ihr Studium hinter sich. Was machen denn heute so ein paar Jahre aus? Er ist doch nicht mehr minderjährig …«
»Ach, wie fändest du das denn, wenn ich jetzt mit so einem jungen Kerl nach Hause käme?«
»Das ist doch etwas ganz anderes. Du bist meine Lebenspartnerin. Ich verstehe den Zusammenhang überhaupt nicht. Es geht hier doch nicht um dich, es geht um Eike und …«, er drückte es hochtrabend aus, aber er fand es passend, »und um sein Lebensglück.«
Etwas machte Susanne Möninghoff sehr traurig, und sie kämpfte mit den Tränen, als sie sagte: »Du kennst sie also schon. Mit dir hat er natürlich über alles gesprochen. Bloß ich weiß mal wieder von nichts. Wahrscheinlich hast du es auch schon mit deiner Ex besprochen, und ihr findet alles ganz toll und normal. Bloß ich gebe hier wieder die uninformierte kleine Spießerin.«
»Nein«, sagte Hero, »ich kenne sie nicht.« Er machte eine scharfe Kopfbewegung, um die Haare, die ihm in die Stirn gefallen waren, nach hinten zu werfen. »Ich habe es eben erst erfahren, genau wie du …«
Dann beugte er sich vor und wurde vorwurfsvoll. »Er hat sich uns anvertraut. Er wollte
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