Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
Herrn Weller fest!«
Rupert sah sich um, als könne jemand anders damit gemeint sein. »Ja, ich kann doch nicht … Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich …«
»Das ist ein dienstlicher Befehl!«, sagte Frau Diekmann mit schriller Stimme.
Rupert versuchte sich herauszureden: »Eigentlich habe ich längst frei. Ich bin nur gekommen, um …«
»Verdammt nochmal, tun Sie, was ich sage!«
Rupert ging zum Auto. Weller konnte nicht starten, ohne Rupert anzufahren. Er gab ihm ein Zeichen, er solle verschwinden.
Rupert legte sich halb auf den Kühler und klopfte gegen die Scheibe. »Braucht ihr in eurer Fischbude noch einen, der Bier zapft?«, fragte er.
Frau Diekmann hätte vor Wut am liebsten in den Motorblock des Fahrzeugs geschossen.
Mit langen Schritten lief jetzt Einsatzleiter Schilling über den Hof. »Halt! Halt! Halt!«
»Finden die Besprechungen jetzt neuerdings im Innenhof statt?«, fragte Weller Ann Kathrin. Er fuhr die Scheibe an der Fahrerseite herunter.
Schilling schob den Kopf rein: »Ich glaube, wenn Sie es durchstehen, Frau Klaasen, wäre es vielleicht wirklich besser, wenn Sie dabei bleiben würden.«
»Ja, aber ich habe doch gerade erst … Ich dachte, wir hätten beschlossen, dass …«, stammelte Jutta Diekmann und steckte ihre Waffe verschämt wieder ein. Sie hasste Ostfriesland schon jetzt, und ihre Zeit hier hatte doch gerade erst begonnen. Ihr war das alles zuwider. Dieser Menschenschlag, dieser wortkarge Widerstand. Diese Inselmentalität. Ebbe und Flut. Und dazu dieser ständige verdammte Wind, der ihr auch jetzt wieder die Frisur versaute.
Ann Kathrin war viel zu sehr in ihrem Schmerz gefangen, um den Sieg genießen zu können.
Weller stieg aus, ging um das Fahrzeug herum und öffnete Ann Kathrin die Tür. Sie saß einfach nur stocksteif da. Dann sah sie ihn an und stieg in den Augen von Frau Diekmann aus wie eine gottverdammte Piraten-Prinzessin aus ihrer geklauten Kutsche.
Der Mann stand mit dem Rücken zu Eike. Er dirigierte das Orchester mit sanften, schwingenden Bewegungen. Ganz entrückt stand er da, als würde die Musik ihn unantastbar, unangreifbar, machen. Er schwebte über den Dingen wie ein böser Racheengel. Aber das hinderte Eike nicht daran, sich den Stahlnagel zu greifen, den der Mann auf dem Stuhl hatte liegenlassen.
Eikes Füße machten Platschgeräusche auf den blutigen Bodenfliesen. Dem Opfer auf dem Fakirstuhl tropfte Schleim aus dem offenen Mund. Der Brustkorb hob und senkte sich nicht, aber aus den Augenwinkeln beobachtete der Sterbende Eike.
Eike hob den Nagel hoch, bereit, ihn tief in den Rücken des Mannes zu treiben, der vorhatte, ihn lebendig zu begraben.
Eike stellte sich vor, die Spitze des Stahlnagels bis in sein Herz zu jagen. Ja, er wollte ihn sterben sehen. Vor seinem geistigen Auge sah Eike schon, wie sich der Mann auf dem Boden krümmte, während sich in seinem frustrierten Gesicht die Erkenntnis spiegelte, dass er es diesmal war, der litt und dessen Blut vergossen wurde.
Der Sterbende auf dem Fakirstuhl bäumte sich auf und gab einen Laut von sich. Es hörte sich an, als würde jemand mit vollem Mund versuchen, arabisch zu sprechen: »ach ihn ertich«.
Es sollte vermutlich eine Ermutigung sein. Wie »mach ihn fertig«, aber es kam zu früh und änderte die Situation.
Der Mann fuhr herum. Er war schnell und wich dem Angriff aus. Dann reagierte er mit ansatzlosen, harten Schlägen. Er traf zweimal Eikes Gesicht, dann seinen Brustkorb.
Eike taumelte, aber noch hielt er den Nagel in der Hand. In einem Akt wilder Verzweiflung ging er damit auf seinen Gegner los. Dann nahm ihm ein Tiefschlag die Luft. Er fiel auf die Knie und stürzte nach vorn.
Er nahm sehr klar wahr, dass etwas von ihm verlangte, die Arme zu benutzen, um den Aufprall abzufedern. War es der Verstand? War es eine Intuition? Ein Urinstinkt? Was immer es war, es funktionierte nicht, oder es war zu langsam.
Er fiel mit herunterhängenden Armen um wie eine Marmorstatue, die jemand vom Sockel stürzt. Sein Gesicht klatschte auf den harten Fliesenboden. Sein Nasenbein brach.
Es war, als würde Ann Kathrin Klaasen die Schläge am eigenen Körper spüren. Sie zuckte zusammen, krümmte sich leicht, fasste sich an den Magen und dann ins Gesicht.
Weller bemerkte, was geschah. Der Film lief noch. Ein Fakirstuhl wurde zusammengehämmert.
Ann Kathrin erhob sich und machte nochmal einen Versuch, das SEK zum sofortigen Einsatz zu bewegen. Vergeblich. Das Gebäude sollte um
Weitere Kostenlose Bücher