Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
er sich, und sie war sicher, er trug eine Waffe.
Wollte er sie von hinten anspringen und niederschlagen? Hatte er vor, sie zu betäuben? Oder wollte er einfach nur unentdeckt bleiben? Gab es in diesem Haus keine besseren Verstecke als hinter dieser Kochinsel?
Auf der Arbeitsplatte lag ein daumendickes Filetsteak. Eine Zwiebelhälfte war gehackt, die andere lag noch auf dem Holzbrett. Der Herd war nicht an. Hatte sie ihn beim Kochen gestört?
Das Fenster über der Spüle war nur angelehnt.
Ein zweites Filetstück lag auf dem Boden.
Dann sprang eine samtschwarze Katze hinter der Insel hervor auf die Spüle, hin zum offenen Fenster. Ann Kathrin senkte ihre Waffe und atmete durch. Sie war klatschnass geschwitzt.
Sie berührte, fast ohne hinzusehen, die Zwiebelwürfel mit links. Sie waren nicht mehr ganz frisch.
Wenn er Eike hier gefangen hält, dachte sie, dann muss es einen Keller geben.
Sie durchsuchte noch eine Speisekammer, in der mehr Reinigungsmittel lagerten als Essensvorräte, dann verschob sie in der großen Wohnhalle Möbel und riss Teppiche hoch. Schließlich fand sie tatsächlich eine Falltür mit einem Messingring. Sie öffnete die Tür. Es knarrte nicht im Geringsten, oder die Musik war zu laut, so dass sie es nicht hören konnte.
Sie stieg hinab. Es roch erdig und feucht.
Der Raum war fünf mal fünf Meter groß, und es gab kein Licht. Im Gegensatz zur modernen Technik oben gab es hier unten nichts Vergleichbares. Dieser Raum war vor langer Zeit bereits aufgegeben worden.
Johannes Klar hatte die alten Regale nicht entfernt. In einem standen Tontöpfe oder Blumenkübel.
Er hatte sich keine Mühe gegeben, diesen feuchten Keller trockenzulegen. Sollte das Besucher abschrecken?
Von oben fiel genug Licht durch die Luke nach unten. Ann Kathrin tastete jetzt die Wände ab. Sie wollte sich nicht bluffen lassen. Hier, hinter den modrigen Wänden, in diesem muffigen Keller, musste ihr Sohn sein.
Sie rief seinen Namen. »Eike! Eike?! Eike!«
In einem schrecklichen Moment begriff sie, dass sie am falschen Ort war. Klar musste Eike weggebracht haben, woandershin, um ihn zu töten.
Antwortete er deshalb nicht auf E-Mails? War er unterwegs, um die Vision seines Films Wirklichkeit werden zu lassen? Mit ihrem Sohn als Opfer? Wurde Eike gerade irgendwo vergraben?
Noch unten im Keller zog sie ihr Handy, um ihre Dienststelle zu informieren, und machte dabei einen Fehler. Sie klickte die Kurzwahltaste für Ubbo Heide an, so, wie sie es oft in vergleichbaren Situationen getan hatte.
Tatsächlich klingelte bei ihm im Krankenhaus das Handy. Seine freundlich-warme Stimme schien aus einer anderen Welt zu kommen.
Es brauchte ein paar Sekunden, bis der Irrtum zu Ann Kathrin durchgesickert war. Sie hörte sich noch sagen: »Er ist hier nicht. Wir müssen die Aktion abblasen. Er hat sein Haus bereits verlassen.«
Ubbo Heide fühlte sich geehrt, dass sie, obwohl er im Krankenhaus lag, ihn immer noch als Chef wahrnahm.
»Nicht die Nerven verlieren, Ann«, sagte er. »Ihr dürft ihm die Handlungsführung nicht überlassen. Du musst sie zurückgewinnen.«
»Ja, Ubbo. Ich bin gerade dabei.«
Er fuhr seinen Computer hoch und klickte sich zunächst durch die verschiedenen Nachrichtensendungen. Es war, als würde Ines neben ihm sitzen. Stolz zeigte er ihr, wie klug und gut er ihre Anweisungen umgesetzt hatte.
Eine dünne, schmallippige Frau, die ihren Zorn kaum zügeln konnte, stand im Innenhof der Auricher Polizeiinspektion. Hinter ihr ein leerer Mannschaftswagen. Ihr Bild war mit ihrem Namen und Titel unterlegt: POR (Polizeioberrat) Diekmann.
Sie sprach direkt in die Kamera: »Es ist dem verantwortungslosen Alleingang einer emotional überforderten Polizistin geschuldet, dass der Täter fliehen konnte. Wir fahnden intensiv nach ihm. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er uns in die Fänge geht. Johannes Klar ist sehr gefährlich. Die Bevölkerung wird gebeten, vorsichtig zu sein und auf keinen Fall selbst aktiv zu werden. Wenn Sie ihn irgendwo sehen, verständigen Sie die nächste Polizeidienststelle. Unternehmen Sie selbst nichts!«
Dann wurden zwei verschiedene Fotos von Johannes Klar eingeblendet. Eins zeigte ihn bei einer Filmpremiere in München, zusammen mit Kim Riedel. Die junge Frau hatte einen schwarzen Balken vor den Augen, der aber so verrutscht war, dass man sie gut erkennen konnte.
Auf dem anderen Foto hatte Klar einen Dreitagebart und Ränder unter den Augen, strahlte aber glücklich, weil er einen
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