Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
»Nein, das kann ich mir nicht vorstellen!«
»Warum?«, fragte Ann Kathrin, »hat er seinen Wagen nicht benutzt?«
Weller beantwortete ihre Frage: »Weil er uns bluffen und in die Irre leiten will. Er hat damit Zeit gewonnen. Deswegen hat er die Musik angelassen und das Licht. Vielleicht wusste er sogar«, Weller warf einen wütenden Blick auf Frau Diekmann, »dass wir bis zum Einbruch der Dunkelheit warten würden, bis wir sein Haus stürmen … Darum hat er den Eindruck erweckt, dort zu sein.«
»Das sind ja alles ganz interessante Hypothesen«, näselte der Einsatzgruppenleiter und schabte sich mit dem Handrücken über den Bart. »Aber das erklärt nicht die Steaks. Er wurde doch beim Kochen gestört.«
»Stimmt«, sagte Ann Kathrin. »Die Steaks passen nicht ins Bild. Er wurde durch irgendetwas gestört. Eigentlich wollte er sich noch eine Mahlzeit zubereiten. Aber dann ist etwas passiert. Und das war ganz sicher nicht mein Besuch. Er hat das Haus schon gestern verlassen. Vielleicht sogar direkt nachdem ich das erste Mal bei ihm war.«
»Vielleicht hast du ihn damals beim Kochen gestört«, mutmaßte Weller.
Jutta Diekmann verfiel in einen offiziellen Ton: »Wir sind jetzt ganz auf die Hilfe der Bevölkerung angewiesen. Er hat irgendwo in der Nähe etwas gemietet. Eine Art Operationsbasis. Und er hat ein zweites Fahrzeug.«
Sylvia Hoppe griff zu ihrem Handy. »Bin schon dran. Überprüfe alle Autovermietungen.«
»Ich übernehme Häuser- und Wohnungsmakler«, sagte Weller, und Rieke Gersema machte drei Schritte in Richtung Tür, um gleich loszulegen. »Ich knöpf mir Banken und Sparkassen vor. Wenn er was gemietet hat, dann hat er es auch bezahlt. Ein Konto sagt doch mehr über einen Menschen aus als sein Familienalbum oder sein polizeiliches Führungszeugnis.«
»Wie wahr, wie wahr«, bestätigte Rupert.
»Macht jetzt hier jeder, was er will?«, fragte POR Diekmann.
»Nein«, konterte Weller. »Nur das, was jetzt dringend nötig ist.«
Eikes Nase war ein dicker, schmerzender Fleischkloß mitten im Gesicht. Sie pochte, als könnte sie jeden Moment platzen. Sein rechtes Auge war zugeschwollen. Mit dem linken sah er alles wie durch einen Schleier.
Da stand dieser Mann mitten im Raum und zelebrierte etwas wie eine Messe. Auf einem Edelstahlschlachttisch lag ein dickes Buch, aus dem er vorlas wie aus der Bibel.
»Yogi glaubt, dass ich ihm gehöre. Er will mich führen wie eine Marionette. Er ist es gewohnt, dass alle Schauspieler tun, was er sich ausdenkt. Er schreibt als Drehbuchautor auf, was sie sagen, denken, fühlen sollen. Er lässt sie sterben oder glücklich werden. Er spielt Gott, und das auch noch sehr erfolgreich. Das hat ihn versaut. Erst habe ich nicht begriffen, warum so viele Schauspieler Schwierigkeiten mit ihm haben. Jetzt ist es mir klar. Irgendwann lehnt sich jeder gesunde Mensch gegen diese Bevormundung auf. Irgendwann reicht es einfach. Dann will man seinen eigenen Text sprechen, keine vorgefertigten Gefühle haben. Eigene Gedanken denken.
Was schon zwischen Drehbuchautor und Schauspieler nicht klappt, kann in einer Beziehung erst recht nicht funktionieren.
Was denkst du, wer du bist, Yogi? Eine unverwüstliche Comicfigur, die ihre unreflektierte Gier ausleben kann und meint, alles gehöre ihr, weil Yogibär natürlich schlauer ist als alle anderen Bären im Yellowstone Park?
Am Anfang war ich echt fasziniert von dir und deinem Witz, deiner Großzügigkeit und diesem ganzen zur Schau gestellten weltmännischen Flair. Aber du wolltest mich auch nur besitzen, mich deine Sätze sprechen lassen. Du narzisstischer Weltenbeherrscher, du! Am Ende machst du jeden zu deinem Knecht, aber ich will nicht deine Sklavin sein. Ich muss mich von dir fernhalten, sonst löse ich mich auf. Du schaffst es, dass meine Gedanken sich nur noch um dich und deine Wünsche drehen.
Bitte akzeptiere, dass ich ein eigenständiger Mensch bin! Ich ersticke in deiner Nähe. Deine Umarmung ist eine Umklammerung. Sie nimmt mir die Luft! Du hast kein Recht, mir ständig nachzustellen und mich überallhin zu verfolgen. Ich fühle mich überwacht!
Manchmal wache ich nachts auf, weil ich geträumt habe, dass du in meinem Zimmer stehst und mir beim Schlafen zusiehst. Manchmal habe ich Angst vor dir und deiner Liebe. Sie ist wie eine Lawine. Man erfriert darin, und sie nimmt einem die Luft zum Atmen.«
Eike spürte, dass etwas aus seinem Mundwinkel tropfte und an seinem Hals entlangkroch. Es musste
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