Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
enttäuschen. Mein Sohn lebt bei seinem Vater, der sich rührend um ihn kümmert. Mir offen gestanden sogar ein bisschen zu rührend.«
Hart hustete Frau Küppers es heraus: »Ausnahmen bestätigen die Regel. Ines ist jedenfalls ganz ohne Vater aufgewachsen. Das ist nicht spurlos an ihr vorübergegangen. Sie hat voll den Vaterkomplex. Mit Jungs in ihrem Alter konnte sie gar nichts anfangen. Sie hat sich immer nur für ältere Männer interessiert, die im Grunde schon für mich zu alt waren. Das ging natürlich nicht gut. Die Typen waren entweder verheiratet oder verkorkst. Und sie schwankte zwischen eiserner Jungfrau, die keinen mehr ranlässt, und Lolita.«
Frau Küppers schnippte ihre Zigarettenkippe nach unten, kam rein und schloss die Tür.
Ann Kathrin nippte am Wasser. Sie hatte einen trockenen Hals, und am liebsten hätte sie einen klaren Schnaps getrunken. Sie musste an ihren toten Vater denken, der einen harten Tag oder eine gruselige Nachricht gern mit einem eisgekühlten Doornkaat weggespült hatte.
»Der Yogi war ein netter Kerl, also, am Anfang. Den hätte ich glatt noch genommen. Der hat sich wirklich rührend um sie gekümmert, hat auch mich besucht, mir Blumen geschenkt. Aber als es ernst wurde und er ihr einen Heiratsantrag gemacht hat, da hat sie die Panik bekommen und ist weggelaufen. Der hat alles getan, um sie zurückzugewinnen. Ein richtiger … wie nennt man das noch, wenn einen einer verfolgt und nicht mehr in Ruhe lässt?«
»Stalker?«
»Ja, ein richtiger Stalker war das. Der wurde am Ende sogar mir unheimlich. Hat immer versucht, mich mit reinzuziehen. Ich sollte mit ihr reden, ein gutes Wort für ihn einlegen und so. Der war auch bei der Beerdigung. Er hat sogar einen eigenen Kranz gehabt, mit so einer großen Binde:
In Liebe, dein Yogi.
Ja,
Yogi
stand darauf, nicht Johannes. Ich hab noch Fotos. Wollen Sie die mal sehen?«
»Ihre Tochter Ines ist also tot?«
»Ja, wussten Sie das denn nicht? Eins sag ich Ihnen: Das mit dem Selbstmord ist Humbug. Erstunken und erlogen! Die haben sie auf dieser Party mit irgend so einem Cocktail umgebracht. Ich hab das schon hundertmal ausgesagt, aber Ihre Kollegen hier in Köln glauben mir nicht. Ich war zu oft in der Psychiatrie. Da zählt meine Aussage wohl nicht mehr so richtig.«
Ann Kathrin war wie elektrisiert. »Sie glauben also, Ihre Tochter wurde ermordet?«
»Ja, und ob sie das wurde! Während die im ganzen Haus Party gemacht haben, ist sie in einem Zimmer einsam an ihrem Erbrochenen erstickt.«
»Es wurde doch bestimmt eine Obduktion durchgeführt?«
»Ja, was denn sonst? Da kam bei raus, dass sie genügend Gift im Körper hatte, um drei Leute damit umzubringen …«
Die Frau trat jetzt ganz nah an Ann Kathrin heran und hämmerte mit Worten auf sie ein: »Die haben mein Kind umgebracht!«
»Warum sollte jemand Ihre Tochter töten?«
Frau Küppers wandte sich ab und suchte nach einer neuen Zigarette. Sie zündete sie an, ging damit aber nicht auf den Balkon, sondern setzte sich in den Sessel und blies den Qualm in Ann Kathrins Richtung.
»Warum wurde John F. Kennedy ermordet? Herrje, ich weiß es nicht! Aber eins weiß ich: Da haben gut vierzig Personen gefeiert, und erst am nächsten Tag, praktisch gegen Mittag, wurde Ines gefunden. Viele haben ja auch dort geschlafen. Da stimmt etwas nicht. Das sieht doch ein Blinder!«
Auf der Rückfahrt kreisten Ann Kathrins Gedanken nur um ein Thema: Willbrandts Leiche wurde bei einem Volksfest verbrannt. Ines’ Körper lag tot im Haus, während eine Party lief.
War da ein Zusammenhang? Inszenierte hier jemand Morde, während andere sich amüsierten? War Ines Küppers das erste Opfer und Christoph Willbrandt das zweite?
Es konnte kein Zufall sein, dass zwischen den beiden eine Verbindung bestand.
Ann Kathrin vermutete den Täter im Bekanntenkreis der beiden, und wenn die zwei sich nach Willbrandts Auszug nicht mehr getroffen hatten, musste der Täter ein alter Bekannter sein.
Ann Kathrin hatte die Polizeiinspektion in Emden am Bahnhofsplatz schon lange nicht mehr besucht. Es roch dort merkwürdig, fand sie, anders als alle Polizeiinspektionen, die sie kannte. Als würde hier jemand Vanilleshakes herstellen oder Pralinen.
Sie kannte die Kollegin Helma Brooks nur vom Hörensagen. Ihr erstes Zusammentreffen verlief nicht gerade angenehm. Hauptkommissarin Brooks war mit ihrem neuen Parfüm offensichtlich die Quelle des merkwürdigen Dufts, der eine Polizeiinspektion in eine Konditorei
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