Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
plötzlich kursierten im Internet Fotos von Rupert, der seinen Namen auf Damenbusen schrieb. Eine Steilvorlage, fand Kai, der ja schon einmal die schönsten Ergüsse aus Ruperts E-Mail-Verkehr bei Facebook veröffentlicht hatte.
Kai war auf dem besten Weg, der Julian Assange für die ostfriesische Polizei zu werden. Er war als »Rote Lola« mit Rupert auf Facebook befreundet und flirtete regelmäßig mit ihm.
Jetzt eröffnete er eine
Fanseite der ostfriesischen Ordnungshüter
und stellte dort die mallorquinischen Busenbilder unter der Überschrift ein:
Die ostfriesische Polizei ist in der ganzen Welt so beliebt, dass ihre legendären Vertreter sogar schon auf Mallorca Autogrammstunden geben.
Dann postete er die Seite an alle zweitausendvierhunderteinundsechzig Freunde und bat sie, die Fanseite zu liken. Schon eine Viertelstunde später hatte sie siebenhundertzwölf Anklicker, von denen siebenhundertneun den Like-Button drückten und die Seite an ihre Freunde weiterempfahlen. In einigen Kommentaren bewarben sich junge Männer um ein Praktikum bei den »Rettern Ostfrieslands«.
»Ich will auch so ein Freund und Helfer werden. Scheiß auf die Aussichten auf den Abteilungsleiterposten im Finanzamt … Ich wechsle gerne zur Kripo!«
So, dachte Kai, wird es für den Rest deines Lebens sein, Rupert. Was immer du tust, du hinterlässt digitale Spuren im Netz, und die Suchmaschinen finden dich. Bis deine Asche verglüht, werde ich dich verfolgen und dafür sorgen, dass jeder Fehltritt von dir einem großen Publikum bekannt wird. Das alles wird dir noch sehr, sehr lange nachlaufen. Einmal im Netz, immer im Netz.
Kai hatte neben Rupert noch drei Leute, die er mit seinem Hass verfolgte. Seine alte Mathematiklehrerin, die ihm aber so gut wie keine Angriffsfläche bot.
Sie suchte nicht im Partnerchat nach einem Lover.
Sie war nicht auf Facebook.
Sie hatte nicht einmal ein Onlinekonto.
Er wusste auch nicht, was sie las oder welche Filme sie sah, denn sie bestellte weder bei Amazon noch bei Weltbild oder Thalia. Sie ging in ihre Lieblingsbuchhandlung zu Fuß und zog ihre Kontoauszüge am Automaten. Sie war halt aus dem letzten Jahrtausend und kaum zu kriegen.
Über seine Exfreundin hingegen, die ihn als »verdammten Nerd« bezeichnet hatte, gab es Material genug.
Hanne, die kotzend über der Toilettenschüssel hing.
Hanne, die auf einer Party als Häschen verkleidet herumhüpfte.
Hanne, die vom Dreier sprang und dabei ihr Oberteil verlor.
Alles wundervolle Handyschnappschüsse.
Und schließlich sein ehemaliger Vermieter, der sie am Ende wegen Eigenbedarfs herausgeklagt hatte. Er war blöd genug, sich am Computer Pornos anzuschauen, ohne die Digicam zu verkleben oder auszuschalten, und es war Kai sogar gelungen, sein lustverzerrtes Gesicht online zu schalten.
Welch ein Spaß!
Kai hatte über einen simplen Trojaner die Herrschaft über den Rechner bekommen, und nun löschte er E-Mails, aber nicht, ohne sie vorher zu beantworten, und damit chaotisierte er das Leben des ehemaligen Vermieters, bis sich dieser in einer Hölle aus Missverständnissen, Verletzungen und Bestellungen unbrauchbarer Dinge befand.
Aber sein Lieblingsopfer, ganz oben auf der Liste, war nach wie vor Rupert.
Der Kurzfilm mit Rupert in der Hauptrolle, wie er von kreischenden Touristinnen geohrfeigt wurde, entwickelte sich auf Youtube schlagartig zum Hit.
Weniger Vergnügen beim Betrachten dieser Bilder hatte Rieke Gersema, die Pressesprecherin der ostfriesischen Polizei.
Die Kollegin Marion Wolters, die von Rupert gerne als »Bratarsch« bezeichnet wurde und die ihn nicht nur deswegen hasste, hatte die Fanseite zuerst entdeckt. Sie wischte sich zunächst die Lachtränen der Schadenfreude von den Pausbacken und schickte dann alles mit gespielter Empörung an Rieke Gersema. Am liebsten hätte sie auch Meldung bei Ubbo Heide gemacht, aber der Chef lag ja im Krankenhaus und durfte mit solchem Mist nicht belastet werden.
Einen neuen Chef gab es noch nicht, obwohl Marion Wolters einen guten Draht ins Innenministerium hatte. Der persönliche Referent eines Staatssekretärs, angeblich für die Verwaltungsreform zuständig, war im Bett ein erstaunlich wilder Hengst. Er hatte ihr gesteckt, es gäbe schon bald Ersatz für Ubbo Heide. Eine Frau sollte es werden, das stand wohl schon fest.
»Polizeiarbeit«, hatte er bedeutungsschwanger gesagt, »heißt Vielfalt und Bürgernähe. Wir haben in Niedersachsen zweiundzwanzigtausendfünfhundert Mitarbeiter im
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