Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
Dienstverfahren gegen mich?«
Ann Kathrin lächelte so unschuldig wie möglich. »Nein, ganz bestimmt nicht. Aber der Pflegevater von Ines Küppers ist bei uns in Norddeich zersägt worden.«
»Ach, die Sache mit dem Osterfeuer?«
»Genau.«
Ann Kathrin wurde auf dem Stuhl fast schwindlig. Erst als sie das Gebäude verließ, wurde ihr klar, dass sie fast die ganze Zeit versucht hatte, die Luft anzuhalten und so wenig wie möglich zu atmen. Jetzt schnappte sie gierig danach.
In ihrem froschgrünen Twingo sitzend las Ann Kathrin die Akte. Der Wagen hatte nicht nur eine Außenwäsche nötig, sondern machte auch von innen einen zugemüllten Eindruck. Ann Kathrin konnte sich aber nicht aufraffen, damit zu beginnen. Erst musste dieser Fall geknackt werden. Dahin ging jetzt ihre ganze Energie.
Der Vater von Ines Küppers hieß Bernd Küppers.
Komisch, dachte Ann Kathrin, obwohl sie sich so sehr hassen, hat Ulrike Küppers nicht wieder ihren Mädchennamen angenommen.
Bernd Küppers war mit einem Wohnsitz in der Nähe von Zürich, in Frauenfeld, gemeldet. Außerdem besaß er ein Feriendomizil in Neuharlingersiel. Er hatte mehrfach versucht, neben der deutschen auch die schweizerische Staatsbürgerschaft zu bekommen und sogar eine Verfassungsklage angestrebt, war aber gescheitert.
Er war ein Filmproducer, und Ann Kathrin musste lernen, dass es einen Unterschied zwischen Filmproduzenten und angestellten Producern gab. Er hatte als Producer für zahlreiche Firmen gearbeitet und galt als Fachmann für internationale Fernseh-Koproduktionen. Die Liste seiner realisierten Projekte war lang.
Kein Wunder, dachte Ann Kathrin, dass er sich nicht um seine Tochter gekümmert hat. Gleichzeitig wurde ihr klar, warum Ulrike Küppers so wütend auf ihn war. Wenn die Internetrecherche auch nur teilweise korrekt war, musste er eine Art von den Göttern verwöhnter Sonnyboy sein, der mit den großen Stars des europäischen Fernsehens per Du war, sich auf Filmfestivals herumtrieb und vermutlich eine Menge Geld verdiente, während sie in einer verräucherten Mietwohnung in Köln-Kalk Zeitungen nach Sonderangeboten durchsuchen musste.
Sie las das letzte Interview mit ihm. Er drehte im Moment in Südtirol eine internationale Koproduktion mit Dieter Landuris, Jule Gölsdorf und einem Schauspieler namens Michael Hoch, den er als seine persönliche Entdeckung bezeichnete und den er für einen der am meisten unterschätzten Schauspieler in Deutschland hielt.
Jule Gölsdorf spielte eine Nachrichtensprecherin, die gezwungen werden sollte, eine falsche Meldung vorzulesen, die zu einem Börsensturz führen würde.
Die Filmgeschichte klang für Ann Kathrin sehr interessant. Bernd Küppers sagte: »Wir machen einen Film über den Niedergang des derzeit herrschenden Raubtierkapitalismus, der weder Grenzen noch Moral kennt, aber seinen Höhepunkt längst überschritten hat.«
Es waren keine Fotos von ihm zu sehen, dafür viele von seinen Schauspielern und seinen Filmen. Im Interview betonte er, ein Producer habe sich zurückzuhalten und sein Produkt in den Vordergrund zu stellen. Es gehe um Filme, gute Stoffe und Schauspieler, aber nicht um ihn. Er galt als ehrgeizig, erfolgreich und publikumsscheu.
Ann Kathrin rief noch vom Auto aus seine Produktionsfirma an und erhielt eine E-Mail-Adresse und eine Handynummer, wobei seine Sekretärin betonte, er lese die E-Mails auf dem Smartphone, und eigentlich dürfe sie seine Handynummer gar nicht herausgeben. Dann war sie aber bereit, für Ann Kathrin eine Ausnahme zu machen.
So, wie das Gespräch verlief, hatte Ann Kathrin den Eindruck, dass sie keineswegs daran glaubte, mit einer Kriminalkommissarin aus Ostfriesland zu telefonieren, sondern eher mit einer jungen Schauspielerin, die sich an Bernd Küppers heranmachen wollte. Der Gedanke amüsierte Ann Kathrin.
Sie schrieb an Bernd Küppers, dass sie ihn sprechen wolle.
Vor gut einem Jahr hatte Rupert mächtig Ärger mit ein paar Schülern aus Bochum gehabt, die mit ihrem Lehrer ins Watt gegangen, aber ohne ihn wiedergekommen waren. Einer von ihnen, Kai Wenzel, hegte immer noch Rachegedanken. Sein Vater unterrichtete an der Ruhr-Universität Bochum Verwaltungsrecht, und für illegale Aktionen, die nach Ärger rochen, benutzte Kai nur zu gern den Rechner seines Vaters, der nach Meinung Kais aus der Steinzeit war und das Internet nie kapieren würde.
In diesem Fall wäre es aber gar nicht nötig gewesen, einen fremden Computer einzusetzen, denn
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