Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
sie zu vergewaltigen. So einer war er nicht, wie er sich immer wieder sagte, und es ärgerte ihn, dass sie ihn mit ihrem renitenten Verhalten dazu gezwungen hatte, diese Droge zu benutzen, die ja von niederen Kreaturen für so etwas eingesetzt wurde. Er wollte nicht in den Verdacht geraten. Nein, nicht aus strafrechtlichen Gründen. So etwas spielte für ihn bei den Verbrechen, die er nach dem Verständnis der Gesellschaft auf sich lud, keine Rolle mehr. Aber er war in der Lage, für das einzustehen, was er tat. Oh ja. Er würde sein Werk stolz zu Ende führen. Aber er wollte nicht einmal in ihren Augen als verklemmter kleiner Triebtäter dastehen. Nicht einmal, bevor er sie umbrachte. Deshalb hatte er ihr zunächst noch die Kleidung gelassen, aber damit war jetzt Schluss.
Nur der nackte, völlig entblößte Mensch wurde auf das Häufchen Elend zurückgeworfen, das er in Wirklichkeit war. Dann, nackt und im Angesicht des Todes, entschied sich, ob der Einzelne eine seelenlose Fressmaschine ohne jede Moral war oder ein Mensch mit einem Gewissen, einer Moral, ja einer Spiritualität.
Was würde sie von ihm denken, wenn sie nackt aufwachte? Und würde die neue Situation wirklich ihren Willen brechen und sie endlich gefügig machen, oder musste er dann erst recht mit ihren Protesten rechnen?
Die affige Mischung aus Jogging- und Hausanzug in Fetzen von ihrem Körper zu schneiden machte ihm nicht viel aus. Aber diese hellgraue Funktionsunterwäsche zu zerschnipseln, fiel ihm schwer. Er kam dabei zu sehr mit ihrer Haut in Berührung. Der Stoff klebte an den Rippen fest. Es kam ihm vor, als würde er sie schälen wie eine reife Birne.
Als er Kind war, hatte seine Oma ihm oft Birnen geschält. Sie hatten drei Birnbäume im Garten. Sie konnte eine Frucht schälen, ohne abzusetzen, und so entstand ein langes Stück Schale.
Er hatte seine Oma immer für diese Kunst bewundert und ihr beim Birnenschälen fasziniert zugesehen. Er mochte es, wenn der Saft über ihre runzligen Hände lief und sie glänzen ließ. Manchmal hatte er mit diesem langen Birnenschalenstreifen gespielt, sie sich wie ein Schmuckstück übers Handgelenk oder über den Hals gelegt. Seiner Oma gefiel das, aber seine Mutter wollte solche Dummheiten nicht dulden, weil davon sein selbstgestrickter Pullover klebrig wurde.
Er schnitt auch Michaela Warfsmanns Socken von ihren Füßen. Dann warf er alles mit den Pumas in einen Plastikmüllsack. Er würde es später irgendwo deponieren, und sei es nur, um die Polizei zu narren. Seine Fingerabdrücke waren nirgendwo zu finden.
Oder sollte er besser alles verbrennen, weil es ja immer irgendwo DNA -Spuren gab?
Dann musste er grinsen. Keineswegs. Er würde stattdessen die Kleiderfetzen mit DNA -Spuren geradezu lawinenartig zumüllen und so neue Spuren legen. Die Polizei brauchte Arbeit.
Er beschloss, überall auf der Insel fremde DNA zu sammeln und dann in die Tüte zu packen. In Abfalleimern, auf Toiletten und am Strand.
Oder besser noch, er würde bei einem nächtlichen Spaziergang ihre Kleidung über die ganze Insel verstreuen und nicht in einem Sack komplett hinterlassen.
Er stellte sich vor, wie die Polizei versuchte, den lächerlichen Jogginganzug wieder zusammenzusetzen und alles zu rekonstruieren. Immer fehlte ihnen ein Teil.
Er musste grinsen. Sie würden als fleißige Krimigucker dahinter irgendeine Botschaft vermuten und versuchen, die Nachricht zu entschlüsseln, die der Killer ihnen übermitteln wollte.
All dieser Unsinn würde sie beschäftigen, während er seinen Feldzug fortsetzte. Diesmal würde Ines Küppers gewinnen! Dieses Mal ganz sicher.
Er ließ ihr nur das Stirnband. Es baumelte jetzt an ihrem Hals und erinnerte ihn so an den kleinen Pudel der Nachbarin, den er als Kind für ein paar Groschen zweimal wöchentlich Gassi geführt hatte.
Wenn sie wach wird, so dachte er, muss der Schock für sie groß sein. So groß, dass sie mit ihrem Zicken aufhört und sich in die Situation ergibt. Gefesselt auf dem Stuhl zu sitzen und dabei durch die große Glasscheibe das Meer und den Deich zu sehen, war sie gewöhnt. Aber jetzt würde sie nicht nur nackt sein, sondern auch noch kahlrasiert.
Er benutzte einen elektrischen Haarschneider und schor sie, wie in seiner Vorstellung Schafen das Fell geschoren wurde. Zweimal richtete sie den Kopf kurz auf, aber dann fiel sie zurück in ihren komatösen Schlaf. Sie hustete, und aus ihrem Mund lief eine grüne, säuerlich riechende Flüssigkeit.
Er wischte
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