Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
van Gogh die Finger zu brechen.
Dann würgte Pille die Metallspinne runter. Es war nicht leicht, weil das Ding einen Brechreiz auslöste, aber dann, als er es endlich geschafft hatte und spürte, wie es in seiner Speiseröhre feine Risse hinterließ, da jubelte etwas in ihm. Ja, es fühlte sich einen Moment lang wie ein Sieg an, als hätte er allen den Stinkefinger gezeigt. Dann tat es nur noch weh.
Ann Kathrin suchte alles über Johannes Klar, alias Yogi, zusammen. Weller stand dabei im Büro hinter ihr. Die Hände auf ihren ergonomischen Sessel gestützt, sah er über ihre Schulter mit auf den Bildschirm. Diese unbequeme Stellung tat seinem Rücken gar nicht gut, und er spürte bereits ein Ziehen im unteren Bereich. So fing es oft bei ihm an, bevor es richtig weh tat und er sich wie ein alter Mann fühlte.
Aber trotzdem stand er genau so, weil er ihr dann noch näher war und sie riechen konnte. Es war, als würde sie sich wie in einem unsichtbaren Ei, von einer Schutzhülle umgeben, durch die Welt bewegen. Jetzt befand er sich praktisch mit in diesem Ei oder Kokon. Es kribbelte auf seiner Haut.
Er liebte diese Momente. Er wusste, dass sie kein Parfüm benutzte, aber trotzdem hatte ihre Haut einen ganz eigenen, zauberhaften Duft, der ihn magisch anzog. Am liebsten hätte er sie beschnüffelt. Ihm wurde klar, was es bedeutete, wenn der Volksmund sagte, man könne jemanden nicht riechen. Unmöglich, so einem Menschen zu vertrauen oder ihn gar zu lieben.
Die Lichtbilddatei gab nichts her. Konflikte mit Polizei oder Justiz schien Johannes Klar nie gehabt zu haben. Aber bei Google fand Ann Kathrin einiges über ihn, da musste auch Weller staunen.
Klar hatte sich wohl als Schauspieler versucht, war aber im Grunde gescheitert. Er flog zweimal von Schauspielschulen und war dann Ensemblemitglied bei einem Tourneetheater, das mit Kriminalkomödien die Provinz bereiste.
Eine gescheiterte Kurzehe mit einer Regieassistentin hatte er hinter sich. Erfolgreich wurde Johannes Klar dann als Drehbuchautor. Er war Hauptautor einer Serie um einen Pfarrer, der nicht nur den Wein liebte und die Frauen, sondern dessen Hobby es war, Kriminalfälle zu lösen. Nicht sehr originell und im Grunde nur so eine moderne Variante der Pater-Brown-Geschichte von Chesterton, wie der Krimifachmann Weller gern erläuterte, der sich jetzt doch gerade hinstellen musste und den Rücken durchbog. Er unterdrückte ein Stöhnen. Dann packte Weller gleich sein komplettes Wissen aus:
Die erste Pater-Brown-Rolle habe 34 Connolly gespielt und schließlich Alec Guinness. In Deutschland habe es dann Heinz Rühmann nach dem Krieg im Farbfilm versucht, aber das sei alles schon sehr weit von Chestertons Vorlage entfernt gewesen. In den Filmen wurde nur noch die bekannte Figur genutzt, sagte Weller, und es hörte sich ein bisschen an, als hätte er
ausgenutzt
gesagt.
Ann Kathrin drehte sich zu ihm um und hörte geduldig zu. Wenn Weller bei seinem Lieblingsthema, der Kriminalliteratur und den zahlreichen misslungenen Verfilmungen von guten Romanen, war, ließ er sich ohnehin nicht gut stoppen.
Das mit dem Stalking war nicht ganz von der Hand zu weisen. Offensichtlich war er Ines Küppers hinterhergezogen. Immer kurz nach ihr wechselte er in die Stadt, in der sie sich befand. Jetzt wohnte er in einem einsamen Friesenhaus in der Krummhörn, an der Stadtgrenze zu Emden.
Er hatte als Drehbuchautor zwar keine Preise eingeheimst, dafür aber offensichtlich ein ausgeglichenes Konto.
Für Ann Kathrin gehörte er sofort zum Kreis der Verdächtigen. Ein abgewiesener Liebhaber konnte unberechenbar sein. Aber warum sollte er Willbrandt zersägt haben? Außerdem war noch lange nicht klar, dass Ines Küppers wirklich ermordet worden war. Es konnte sich um ein Hirngespinst einer durchgedrehten Mutter handeln, die mit dem Selbstmord ihrer Tochter nicht fertig wurde und jetzt einen Schuldigen für den Tod ihres Kindes brauchte, um ihn irgendwie selbst überleben zu können.
»Wir sollten uns diesen Johannes Klar vorknöpfen«, sagte Ann Kathrin, und Weller hörte aus diesem Satz einen Appell an sich heraus.
»Ich würde gerne erst noch Ubbo besuchen«, flüsterte er, als sei es ein gutgehütetes Geheimnis und dieses Büro in der Polizeiinspektion mit Abhöranlagen gespickt.
Weller wusste, dass alle Zeugenbefragungen viel schneller und effektiver laufen könnten, wenn Ann Kathrin nicht immer darauf bestehen würde, die Menschen in ihren eigenen Räumlichkeiten zu
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