Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
irre.
Obwohl er längst satt war, aß er zum Nachtisch noch einen Milchreis mit Zimt. Das Lieblingsessen seiner Kindheit.
Er besaß noch Michaela Warfsmanns iPhone. Er hatte es ausgeschaltet, um nicht geortet zu werden. Aber jetzt reizte es ihn sehr, es einmal kurz zu benutzen.
Er fand es immer noch amüsant, dass sie zwar ihr Haus in Emden mit Alarmanlagen gesichert hatte, aber die PIN -Nummer ihres iPhones hinten auf dem Gerät klebte. Die vergessliche Michaela Warfsmann! Die keine Zahlen behalten konnte, weil sie die volle Kapazität ihres Gehirns brauchte, um sich Bösartigkeiten gegen andere Menschen auszudenken.
Er ließ das Gerät hochfahren und suchte im Speicher Joachims Kontaktdaten. Sie standen nicht unter »J«, sondern unter »L« wie »Liebling«.
Mein Gott, dachte er, wie peinlich! Wie verlogen! Wie kitschig!
Er fand, Joachim hätte eher einen Platz unter »A« wie »Arschloch« verdient.
Er schickte ihm jetzt von ihrem iPhone aus eine SMS . Das Gerät brummte die ganze Zeit, weil ständig Nachrichten von ihm ankamen.
Melde dich!
Wo bist du?
Und zum Schluss nur noch drei Fragezeichen.
Joachim Warfsmann konnte zunächst nicht fassen, was er dort las:
Bitte komm zur Hüpfburg. Ich warte dort auf euch.
Liebe Grüße, Michaela
Er packte Emma warm ein, während er selbst viel zu luftig angezogen war. Er vergaß die Mütze. Bei dem Wind und seinen empfindlichen Ohren ein Fehler, das merkte er sofort, als er an die frische Luft kam.
Emma wollte nicht getragen werden, aber sie ging ihm viel zu langsam. Er überlegte, was er Michaela sagen sollte. Er legte sich Sätze zurecht. Am liebsten hätte er sie angebrüllt, ja, ihr eine reingehauen vor Wut, aber das war nicht seine Art, und er wollte vor seiner Tochter nicht als Choleriker dastehen.
Warum zur Hüpfburg, fragte er sich. Was sollte der Mist? Hatte sie Angst vor ihm? Wollte sie ihm nur in der Öffentlichkeit begegnen und nicht allein mit ihm in der Ferienwohnung sein? Brauchte sie für ihren Auftritt den Schutz vieler Augen?
Als sie bei der Hüpfburg ankamen, standen schon Dreierreihen am Weinstand. Wieso ausgerechnet auf Norderney eine Fränkische Woche war und es Frankenwein und Leberkäsbrötchen gab, wunderte ihn kurz, aber dann suchte er seine Frau und fand sie nicht.
Er vermutete, dass sie ihn längst beobachtete, aber nicht hervortrat, weil er Emma bei sich hatte. Er schickte Emma zur Hüpfburg. Sie hatte zunächst keine Lust, willigte dann aber ein und amüsierte sich nach wenigen Minuten prächtig.
»Guck mal, Papa!«, rief sie »Guck mal!« Sie federte immer mutiger immer höher.
Joachim sah sich nach Michaela um. Jetzt kannst du doch rauskommen, dachte er. Wo bleibst du, verdammt? Ein paar Minuten hätten wir allein, bis Emma den Spaß am Hüpfen verliert.
Er wurde von hinten angerempelt, während er versuchte, Michaela anzurufen. Eigentlich hatte er sich vorgenommen, keine Kontaktversuche mehr von sich aus zu unternehmen.
Jetzt wurde er zum zweiten Mal angerempelt. Er kannte den Mann nicht, der ihn mit fränkischem Weißwein beschlabberte. Er fuhr ihn an: »Nun passen Sie doch auf, verdammt!«
Eine Sturmwarnung führte dazu, dass die Hüpfburg gegen den Protest der Eltern und Kinder vorzeitig abgebaut werden musste. Ersatzweise sammelte ein Pony-Express die Kinder zu einem Ausflug ein. Emma wollte aber nicht mit.
Da gellte ein Schrei über die Strandpromenade, der noch im Café Marienhöhe bei geschlossenem Fenster die Kellnerin zusammenzucken ließ, als sie ihrer Stammkundin das Stückchen Rhabarberbaiser und den Milchkaffee servierte.
Sylvia Hoppe hatte während der ganzen Fahrt von Aurich bis Westerstede nur über ihre misslungenen Ehen gesprochen. Einen Mann nannte sie nur »meinen blöden Ex mit den Blumenkohlohren«, den anderen »das Dööfchen aus der Muckibude«. So konnte Weller die zwei leicht auseinanderhalten, ohne sich einen Namen merken zu müssen.
Einer von ihnen war ein »schwanzfixierter Flachwichser«. Weller hatte nur noch nicht herausgehört, welcher von beiden. Und nun gestand Sylvia Hoppe ihm, dass Rupert das Schlimmste beider Kerle in sich vereinigte und sie deswegen nicht länger mit ihm zusammenarbeiten könnte. Weller sollte sich bei Ann Kathrin dafür starkmachen, dass sie in Zukunft mit ihm statt mit Rupert ein Doppel bilden konnte.
Sie sprach ohne Unterbrechung, und bevor Weller protestieren konnte, erinnerte sie ihn daran, dass es sowieso blöd aussah, wenn sie als verheiratetes
Weitere Kostenlose Bücher