Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
Pärchen gemeinsam Dienst schoben. Sie fragte sich sogar, ob es sowieso nicht gegen die Regeln verstieß.
Als sie kurz hustete, nutzte Weller die Chance, einen Zwischenruf zu machen: »Du meinst also, Ann Kathrin sollte in Zukunft mit Rupert Dienst machen? Na, die wird sich bedanken!«
Endlich waren sie in der Poststraße, nicht weit von der Zimmerei Ulken.
Die Schwestern Hannah und Rebekka Simon waren knapp drei Jahre auseinander, aber Weller hätte nicht sagen können, welche die Jüngere von beiden war. Die beiden erinnerten ihn an seine Töchter, was einen kurzen Schmerz in ihm auslöste. Er verdrängte den Gedanken daran, wann er Jule und Sabrina zum letzten Mal gesehen hatte, und versuchte, sich ganz auf das Gespräch zu konzentrieren.
Beide Frauen hatten so strahlend weiße Zähne, dass Weller sich fragte, ob er etwas bei seiner Mundhygiene falsch gemacht hatte.
Sie wohnten hier gemeinsam. Hannah unterrichtete an der Europaschule Deutsch und Geschichte, Rebekka arbeitete als Assistenzärztin in der Ammerlandklinik. Nach fast zeitgleich gescheiterten Beziehungen waren die zwei zusammengezogen.
Beide gaben an, Ines Küppers erst im Hause der Warfsmanns kennengelernt zu haben. Sie sei da eine Mischung aus Freundin und Hausmädchen gewesen.
Ja, sie waren beide bei der Feier anwesend gewesen, hatten aber Ines Küppers dort gar nicht gesehen. Die habe sich wohl in ihr ehemaliges Zimmer eingeschlossen, und sie habe zunächst geglaubt, erzählte Hannah freizügig, der Raum sei abgeschlossen, weil er von jemandem für Liebesspiele genutzt werden würde.
Ja, Weller registrierte das Wort »Liebesspiele« genau und auch die Art, wie Hannah fast verschämt lachte. Er fand ihre Sprache altbacken. Sie benutzte keinerlei Anglizismen. Sie sagte »Handtelefon« statt »Handy«, »Gesichtsbuch« statt »Facebook«
Sie hätte sich an dem Abend hauptsächlich mit einem Entwerfer aus Hamburg unterhalten, sagte sie, und weil Weller den Beruf des Entwerfers nicht kannte, was Rebekka ihm am Gesicht ansah, erklärte sie: »Sie meint Designer. Seit sie von ihrem amerikanischen Lover getrennt ist, spricht sie nur noch richtiges Deutsch.«
Hannah warf Rebekka einen zornigen Blick zu.
»Meine Schwester kriegt auch keine E-Mails mehr, sondern nur noch Netzpost. Die würde auch nie Ecstasy nehmen, sondern höchstens mal eine synthetische Euphoriedroge.«
Offensichtlich war Rebekka auf Krawall gebürstet. Vielleicht ließ sich das nutzen, dachte Weller.
Sylvia Hoppe reagierte auf die Trennungsgeschichte und fragte, ob dieser Amerikaner denn auch auf der Party gewesen sei.
»Meine Schwester geht zu keiner Party, höchstens mal auf ein Fest«, spottete Rebekka.
Laut und energisch konterte Hannah: »Nein, er war nicht da. Er ist wieder bei seiner Einheit und vermutlich auch wieder bei seiner Frau.«
Weller fragte sich, was mit diesen jungen, gebildeten Frauen nicht stimmte. Er sah kein Buchregal. Keinen Zeitungsstapel. Lasen die nicht? Konnte man heutzutage Deutschlehrerin oder Ärztin werden, ohne Bücher zu lesen?
Sylvia Hoppe übernahm die Befragung. Vor allen Dingen ging es um die komplette Gästeliste und um Fotos.
Dann fiel ein Name, der Weller unwillkürlich zusammenzucken ließ, und auch Sylvia Hoppe guckte kurz irritiert, fing sich aber gleich wieder und setzte die Befragung fort, als sei der Name Eike Klaasen so normal wie jeder andere. Aber Hannah hatte den kleinen Blickwechsel und das erschrockene Innehalten bemerkt. Sie zeigte jetzt auf ihre Schwester.
»Was ist mit Eike? Ist er ein Psychopath? Ein lang gesuchter Serienkiller? Ein Ausbrecher?«
»Nein, wie kommen Sie denn darauf?«, fragte Weller.
»Na, weil Sie so geguckt haben«, antwortete Rebekka.
»Wissen Sie«, fragte Weller, »wie dieser Eike Klaasen auf die Party, äh, die Feier, kam?«
»Ich frage mich zwar, was Sie das angeht, aber wir sind zusammen«, antwortete Rebekka.
Weller schluckte schwer und stellte sich jetzt vor, wie schwierig es werden würde, Ann Kathrin zu erklären, dass ihr Sohn mit einer Assistenzärztin aus Westerstede ging und auf genau dieser Party gewesen war.
»Wie alt ist dieser Eike denn?«, fragte Weller so harmlos wie möglich.
Hannah lachte spitz auf. »Sie steht auf junge Kerle.«
Rebekka verteidigte sich: »Was soll das denn jetzt wieder heißen? Der ist doch nicht mehr minderjährig!«
»Stimmt«, giftete Hannah, »im Grunde ja schon viel zu alt für dich. Der macht doch bestimmt bald schon sein Abitur …«
Das
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