Ann Pearlman
seine Schulter berührt, zuckt er zusammen, versucht dann aber, sich zu entspannen, und lässt sich von ihr umarmen.
Ich gebe Rachel das Töpfchen und sehe zu, wie sie es mit Troys Hilfe in die Toilette leert. Dann drückt sie auf die Spülung und winkt, während der Wasserstrudel ihren Schatz davonträgt.
Als sie Troy danach küssen will, weicht er zurück. »Ich fühle mich nicht so gut und möchte dich nicht anstecken, Süße.« Rachel rennt durchs Wohnzimmer, öffnet die Glastür zum Balkon, geht hinaus und drückt die Lippen auf die Scheibe, so dass ihr Mund aussieht wie eine breitgequetschte rosa Blume. So bleibt sie, während Troy sich bückt und seine Lippen von der anderen Seite aufs Glas drückt. Ein paar Sekunden verharren sie so, dann spitzt Rachel zum Abschluss die Lippen, und Troy steht auf.
»Ich hab dich geküsst, Daddy, ich hab dich geküsst«, jauchzt sie.
Als Troy sein Hemd auszieht, sehe ich den roten, geschwollenen Bereich, der sich vom Pflaster aus über seine ganze Schulter auszubreiten droht. Der Ausschlag zieht sich einen Arm hinunter und den Rücken bis zum Kreuz. Als ich das Pflaster abziehe, sehe ich, dass der Pickel Eiter und dickflüssiges Blut absondert, die Haut in der Umgebung ist heiß, und Troy zuckt zusammen, wenn man sie berührt.
»Tut das weh?«
»Nein, aber deine Hand fühlt sich an wie Eis.«
»Die Notaufnahme ist noch offen. Lass uns hinfahren. Sofort.«
Ich packe für Rachel ein Erdnussbuttersandwich, ein paar Malbücher, ihre Schmusedecke und Maddie, das Häschen, dessen Fell zum größten Teil weggeliebt ist, zusammen.
»Maddie braucht ihren Rucksack, Mommy.« Rachel müht sich ab, den Riemen des Minirucksacks über den Arm des Stofftiers zu ziehen. Ich stecke noch eine Saftpackung und ein paar Äpfel ein, greife mir ein Buch, und los geht’s.
Ich erzähle Troy nicht, dass ich meinen Job verloren habe.
Ich spreche auch nicht über meine Angst.
Stattdessen versuche ich mir gut zuzureden. Bestimmt bekommt er Antibiotika, und dann geht es ihm im Nu wieder besser. Schließlich ist er jung und gesund.
Am Empfang stellt man ihm ein paar Fragen und notiert unsere Versicherungsnummer. Unser Hausarzt gehört zum gleichen System wie die Klinik, demzufolge hat man hier Zugang zu allen unseren Daten. Die Schwester, eine Frau mit einem traurigen Mund, notiert Troys Symptome.
»Er hat Fieber und auf der Schulter eine wunde Stelle, die entzündet zu sein scheint«, erkläre ich und lege die Hand auf Troys Wange.
»Daddy ist krank«, verkündet Rachel und nickt bekräftigend.
Die Schwester deutet zum Wartezimmer. »Wir rufen Sie gleich auf.« Der Raum ist mehr als halb voll. Zwei andere Familien sitzen an den Tischen. Wir steigen über die Beine eines jungen Mannes, der seine Jacke wie eine Decke über sich gelegt hat und fest schläft, und setzen uns auf die Stühle neben ihm. Rachel holt ein Malbuch heraus und beginnt zu malen.
Das Warten beginnt. Ich überlege, ob ich Troy jetzt sagen soll, dass ich meinen Job verloren habe. Er lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und schlingt die Arme um sich. »Mir ist so kalt«, klagt er. Ich frage am Empfang, ob man ihm eine Decke geben kann, aber die Schwester sagt: »Er kommt sofort dran.« Ich werfe einen Blick auf die Familien im Wartezimmer und komme zu dem Schluss, dass Troy anscheinend vorgezogen wird. Das macht meine Angst noch größer.
»Devon«, ruft die Schwester.
Der junge Mann schlüpft in seine Jacke und zuckelt weg. Dass er so allein ist, macht mich traurig. Aber vielleicht will er es so. Vielleicht hat er irgendeine Geschlechtskrankheit. Instinktiv rutsche ich ein Stück von seinem Platz weg.
Rachel malt ein Schaukelpferd an. Sie schafft es noch nicht, innerhalb der Linie zu bleiben, und schrubbt mit dem roten Buntstift über das Papier, als käme es vor allem darauf an, dass die Sache Farbe bekommt.
»Pipi, Mommy«, sagt sie.
Ich nehme sie an der Hand, und wir suchen zusammen die Toilette. »Toll, dass du es mir gesagt hast.« Ich habe vergessen, sie daran zu erinnern. Jetzt schaut sie sich im Erwachsenenklo um und sieht mich mit gerunzelter Stirn an. Ihr Mund ist eine schmale gerade Linie.
»Ich heb dich hoch, okay?«
Mit den Händen unter ihren Achseln halte ich sie fest, bis sie fertig ist.
»Ich hab’s getan. Ich hab Pipi in das Töpfchen für große Mädchen gemacht.«
»Du bist toll«, lobe ich sie.
Dann wasche ich uns beiden die Hände, wobei ich extra viel Seife nehme, um die Krankenhauskeime
Weitere Kostenlose Bücher