Ann Pearlman
wirklich. Das lässt sie nicht zu.« Und dann schläft er wieder ein.
Ich auch. Endlich schlafe ich. Und dann fahre ich hoch, weil ich denke, es ist etwas passiert. Ich lege die Hand auf Troys Brust. Sein Atem geht flach. Aber er atmet.
Am Nachmittag richte ich das Kopfteil des Krankenbetts auf, fahre den Laptop hoch, den ich mitgebracht habe, und rufe Mom an.
»Wie geht es ihm?«, fragt sie.
Ich antworte nicht.
»Oh. Nicht besser.« Ihre Stimme klingt resigniert.
»Ich dachte, vielleicht kann er per Computer mit Rachel sprechen.«
»Okay, ich mache gleich alles bereit.« Ein paar Minuten später ist sie am Computer, Rachel auf dem Schoß. »Hi Mommy.«
»Daddy ist hier. Er möchte mit dir reden.«
Ich stelle den Laptop auf Troys Betttablett und rutschte zu ihm hinüber. »Kannst du uns sehen?«
»Hi Daddy.« Rachels Lächeln verblasst, und sie runzelt die Stirn. »Du bist noch im Krankenhaus.« Ihre Mundwinkel gehen nach unten. Ihr Gesichtsausdruck scheint mir die Essenz ihres Gefühls auszudrücken. Vielleicht, weil sie ein Kind ist und weil Kinder eben so sind. Aber ihr kummervolles Gesicht könnte jeden zum Weinen bringen.
»Ja.«
Rachels Blick überfliegt das Krankenzimmer und konzentriert sich schließlich auf den Infusionsschlauch an Troys Hand. »Daddddyyyyy.« Das Wort verhallt, verliert sich in der Ferne und der Verzweiflung.
Mom flüstert ihr etwas ins Ohr.
»Fühlst du dich besser, Daddy? Wann kommst du wieder nach Hause?«
»Das weiß ich nicht, Süße. Wie geht es mit dem Töpfchen?«
»Ich mache immer Pipi rein. Jetzt bin ich ein großes Mädchen.«
»Gut! Du weißt, dass ich dich liebe, nicht wahr?«
Rachel nickt.
»Ich werde dich immer lieben.«
»Kommst du bald nach Hause?«
»Sag es. Sag mir, dass Daddy immer auf dich aufpassen wird.«
»Du wirst immer auf mich aufpassen.« Über Moms Gesicht strömen Tränen. Aber Rachel ist ganz auf uns konzentriert, ihre Eltern auf dem Computermonitor.
»Mommy?«
»Ich bin hier«, melde ich mich sofort.
»Wann kommt Daddy wieder nach Hause?«
»Ich weiß es nicht, Süße. So bald wie möglich.« Ich bemühe mich um ein ruhiges Gesicht.
»Aber ich bin bei dir«, sagt Troy. »Ich bin immer bei dir. Ich bin in dir drin.« Troy deutet auf seinen Kopf und sein Herz. »Und da werde ich immer sein und dich lieben.« Seine Stimme ist ganz weich.
»Okay, Daddy.« Wieder ein Lächeln, das gleich verschwindet.
Troy dreht den Kopf, damit sie seine Tränen nicht sieht. Dann sagt er: »Jetzt muss Daddy sich wieder ausruhen.« Er sieht ihr fest ins Gesicht. »Ich liebe dich, Rachel.«
Sie streckt die Hand zum Monitor aus und berührt seine Wange. Ganz zart. Wir sehen ihre Handfläche, die kleinen Falten, wir sehen das Streicheln. »Ich hab es gespürt«, sagt er. »Ich habe deine Hand an meiner Wange gespürt.«
Dann küsst er seine Hand und drückt sie flach auf den Bildschirm.
»Hast du meinen Kuss bekommen?«
Sie nickt mit ernstem Gesicht.
»Leb wohl, Schätzchen.«
Ihre Fingerspitzen verharren auf seinem Bild.
Troy schließt die Augen und wendet das Gesicht ab. Tränen quellen unter seinen Augenlidern hervor.
Ich setze mich vor den Bildschirm. »Ich komme bald nach Hause, Schätzchen. Hast du Spaß mit Grandma?«
Sie nickt. »Wir gehen zum Spielplatz am Strand.« Aber dann wird sie wieder traurig und sagt: »Ich vermisse Daddy.« Die kindliche Entdeckerfreude weicht wachsender Angst.
»Er wünscht sich mehr als alles, mit uns zu Hause zu sein. Das ist sein allergrößter Wunsch – dass wir alle zusammen sind, alle zu Hause. Und zum Konzert von Tante Tara gehen.«
Rachel lächelt. »Und Levy sehen!«
»Ja, in ein paar Tagen siehst du Levy.«
Die Infektion breitet sich in Troys anderem Lungenflügel aus. Ein Arm ist geschwollen, die Haut rissig. Die Ärztin erwägt, ihn an ein Beatmungsgerät anzuschließen. Er weigert sich, er möchte mit Rachel und mir sprechen können. Und mit seinen Eltern, wenn sie eintreffen.
»Wann kommen sie?«, fragt er.
»Sie sind unterwegs. Du hast mit ihnen gesprochen, richtig?«
»Ja, gestern.«
»Möchtest du sie anrufen?« Ich greife nach dem Telefon.
»Nein, nicht jetzt.«
»Versuch es doch mit der Beatmung«, bettle ich. »Nur bis das Medikament wirkt. Gib ihm die Chance.«
»Nein. Ich kriege schon Sauerstoff in die Nase.« Seine Worte klingen dünn. »Die Ärztin glaubt nicht, dass es etwas bringt.«
»Wir müssen weiterkämpfen.«
»Das tue ich. Schon die ganze Zeit.« Dann schläft er
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