Ann Pearlman
sind so hell, dass man die Leute schreien hört, sie aber nicht wirklich sieht, nur als Schatten, dann ist da dieses Gefühl.« Mir fällt es schwer, die richtigen Worte zu finden. »Ich weiß nicht, ob es einen Ausdruck dafür gibt – es ist Aufregung, positiv und negativ – Lampenfieber, Angst und gleichzeitig dieses wundervolle Prickeln. Die Leute sind meinetwegen da, unseretwegen, sie wollen Special und mich und die Crew sehen. Ich fühl mich so richtig geil. Als wär ich was ganz Besonderes. Obwohl ich die ganze Zeit weiß, das bin bloß ich, ich mache mein Ding. Nichts von den Fantasien ist real. Ich bin nur Tara. Aber sobald ich den ersten Ton spiele, sind wir L’il Key und Special und die Crew, und wir sind in unserer eigenen Dimension und tun das, was wir am besten können. Jedes Mal ein bisschen anders. Jedes Mal hören wir was Neues in der Musik. Bringen etwas Neues zum Vorschein. Das kommt auch vom Publikum, die Leute holen immer unterschiedliche Dinge aus uns heraus.«
Troy antwortet nicht, ich höre ihn nur atmen, und einen Moment denke ich, dass er vielleicht wieder eingeschlafen ist.
»Verstehe«, sagt er dann plötzlich. »Es ist das gleiche Gefühl wie vor einem schwierigen Sprung, nur kommt bei dir noch die Aufregung durch das Publikum dazu. Schließlich springt man ja normalerweise nicht in einer großen Sporthalle.«
»Nein. Außer bei den Olympischen Spielen vielleicht. Aber das Publikum macht es einem irgendwie leichter, weil sie das zu hören und zu sehen kriegen, wofür sie gekommen sind. Sie projizieren ihre Wünsche und Bedürfnisse auf dich. Sie wollen die Party, und deshalb helfen sie auch dabei, dass sie in Gang kommt.«
Ein paar Sekunden herrscht wieder Schweigen, nur die Maschinen stampfen und keuchen. »Ich würde dir gern die gleiche Frage stellen. Wie ist es, hier zu sein? Wie ist es, wegen dieser seltsamen Bakterien so krank zu werden?«
»Hmmm. Du bist die Einzige, die mich danach gefragt hat.« Er hört einen Moment auf zu atmen. »Ich hab eine Scheißangst. Panik. Aber verrate das bitte keinem.«
»Ich hab auch Angst, Troy.«
»Nichts hilft, und alles wird immer schwieriger.« Er ringt nach Atem. »Jeder Atemzug ist harte Arbeit. Scheiße. Wenn ich mich umdrehen will, muss ich darüber nachdenken und mich erinnern, wie das geht. Und ich bin nie ganz sicher, was ich träume und was real ist. Du bist doch real, oder nicht?«
Ich strecke die Hand aus und berühre seinen Arm. Er ist kühl und trocken. »Spürst du das? Ich bin wirklich da.«
»Ist es nicht mitten in der Nacht? Wie bist du überhaupt reingekommen?«
»Ich bin einfach in dein Zimmer gegangen. Schlechte Security, wie’s aussieht.« Ich zucke die Achseln. Ich weiß nicht, was ich ihm sagen soll, auf diese Situation bin ich nicht vorbereitet. Nicht einmal darauf, dass er so krank ist, und schon gar nicht, dass er mir von seiner Angst erzählt.
»Du wirkst gar nicht, als hättest du Angst. Du bist wie immer, nur ein bisschen schwach.«
»Ich habe nicht genug Energie für meine Panik. Und ich bemühe mich auch, gute Gedanken zu denken, positive Gedanken, wie man das tun soll. Aber die trostlosen gehen davon nicht weg. Also liege ich hier und mache mir Sorgen um Sky und Rachel und habe das Gefühl, sie im Stich zu lassen, weil ich krank bin. Und was ist, wenn ich sterbe und nicht da bin, um Rachel beim Großwerden zu helfen? Ich weiß, dass Sky noch nicht mal den Tod ihres Vaters verkraftet hat, nicht wirklich. Und die toten Babys. Mias Tod.« Nach so vielen Worten ist er erschöpft und schließt die Augen.
Ich bleibe sitzen. Vielleicht sollte ich ihm einfach zuhören.
»Kümmerst du dich um Sky?«
Die Frage überrascht mich. »Ich werde es versuchen. Aber sie wird es nicht wollen. Und sie hat Mom.«
Langsam bewegt er sich. Ich kann sehen, wie anstrengend das für ihn ist.
»Aber ich werde es versuchen.«
»Lass nicht zu, dass sie vor Trauer aus unserer Liebe ein Denkmal macht. Hilf ihr, unserer Liebe ein Denkmal zu setzen, indem sie einen anderen liebt.«
»Dich kann niemand ersetzen.« Aus der Infusion fällt der nächste Tropfen. »Ich liebe dich, Troy.«
Er nickt. »Du bist meine kleine Schwester. Wie geht es Sky, was glaubst du?«
»Ich hab noch nicht mit ihr geredet. Sie ist ja immer hier im Krankenhaus. Mom kümmert sich gern um Rachel, aber ich dachte, ich passe die nächsten Tage auf sie auf, zusammen mit Levy, damit Mom Zeit für Sky und für dich hat.«
»Du bist sehr
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