Ann Pearlman
kleine Gabelladungen vom Teller in den Mund zu befördern. Nach ein paar weiteren Bissen jedoch sagt er: »Genug.« Inzwischen hat sich der Ausschlag über seinen ganzen Körper ausgebreitet, sein Arm und seine Hand sind dunkellila.
»Ich liebe dich«, sage ich.
»Ich weiß. Und du weißt hoffentlich auch, dass ich dich liebe, ja?« Zwischen den beiden Sätzen holt er keuchend Luft.
»Klar doch.« Wir reden langsam und schauen uns dabei tief in die Augen – so, als wäre es etwas ganz Neues. Dabei haben wir es uns schon tausendmal gesagt, nur dass wir diesmal »Ich weiß« hinzufügen. Als wollten wir dafür sorgen, dass wir es niemals vergessen.
Ich versuche, meine Stimme beiläufig klingen zu lassen, als wäre alles genauso normal wie bei den anderen tausend Malen, wenn wir »Ich liebe dich« gesagt haben. Selbst damals schon, als wir nur Freunde waren. Jedes Mal wenn wir uns getrennt haben. Jeden Abend vor dem Einschlafen.
»Sky. Hör zu. Du bist diejenige, die immer auf alles vorbereitet sein will.« Er signalisiert mir, dass er den Orangensaft möchte, und ich gebe ihm das Glas. Aber als er daran nippt, verzieht er das Gesicht. »Finanziell gesehen müsstet ihr gut versorgt sein, du und Rachel, vor allem mit deinem Job und deinen Fähigkeiten.«
»Schschsch.« Ich ziehe meinen Stuhl näher zum Bett.
»Und was eure Versicherungen angeht, ist auch alles geregelt. Sollte der schlimmste Fall eintreten, möchte ich, dass du weitermachst und irgendwann einen anderen liebst.«
»Troy, wir werden nebeneinander im Schaukelstuhl auf einer Veranda sitzen und Rachels Kinder beobachten. Du wirst wieder gesund. Die Antibiotika werden anschlagen, du kommst wieder zu Kräften.« Ich will nicht, dass er über mögliche Horrorszenarien redet. Ich will, dass er nicht einmal daran denkt.
Aber er legt mir die Finger unters Kinn und hebt meinen Kopf, so dass unsere Blicke sich begegnen. »Entspann dich«, sagt er. »Bleib offen.«
Bittere Tränen rinnen mir übers Gesicht.
Er schließt die Augen und benetzt die Lippen mit der Zunge. Ich lege die Hand auf seine heiße Stirn und zupfe die Decke zurecht. Er sieht völlig erschöpft aus.
Doch dann öffnet er plötzlich die Augen und fragt: »Wann kommt Tara?«
»Morgen, glaube ich. Das Konzert ist übermorgen.«
Sofort spielt ein Lächeln um seine Lippen.
Er scheint zu schlafen. Ich picke in seinem Obstbecher. Bis Mom kam, habe ich mich mit Müsliriegeln über Wasser gehalten. Eigentlich sieht es nicht danach aus, als würde das Spezial-Antibiotikum etwas bewirken.
Wenigstens ist mit Rachel alles in Ordnung. Sie hat keine Infektionen.
Ich sehe zu, wie Troy einatmet, und warte, dass er wieder ausatmet.
In den langen Schlafperioden wirkt er beinahe ohnmächtig. Wie damals, als Rachel noch ein Baby war, kontrolliere ich jetzt bei ihm, ob er noch atmet.
Und dann ist er plötzlich wach, als hätte er nie geschlafen.
Ich sitze da und beobachte ihn.
Manchmal krieche ich neben ihn unter die Decke und schlafe auch ein bisschen.
Sonst kann ich kaum schlafen. Unser leeres Bett macht mir Angst. Nicht einmal das Meeresrauschen beruhigt mich. Der Versuch, auf seiner Seite des Bettes zu schlafen, hat nicht funktioniert, also habe ich mich wieder in meine Hälfte zurückgezogen und ein paar Kissen dorthin gelegt, wo Troy eigentlich sein sollte. Wenn ich erschöpft genug bin, kann ich so ein paar Stunden schlafen. Kurz hatte ich die Idee, Rachel zu mir zu holen, aber ich wollte sie nicht stören. Seit Mom da ist, schläft sie auf Troys Seite, aber ich bin so unruhig, dass ich sie dauernd wecke. Schließlich bin ich auf die Couch umgezogen.
Nachdem Rachel gestern Abend im Bett war, haben Mom und ich noch eine Weile am Tisch gesessen und Wein getrunken. In den Verpackungen waren noch die Überreste eines Take- ou ts. Ich konnte nicht viel essen, Moms Augen waren blass, Mascara und Lippenstift so gut wie verschwunden. Sie schüttelte den Kopf und begann eine Geschichte zu erzählen. »Als du klein warst, vielleicht ein paar Jahre älter als Rachel jetzt – Dad war noch am Leben –, haben wir mal alle zusammen Frühstück gemacht.
Du hast Kräuter ins Rührei gerührt. In der Nacht davor hatte es geregnet, und die Vögel sind wie verrückt in einer Schale mit Wasser herumgehüpft. Plötzlich hast du aufgehört zu rühren und mich gefragt, wo du warst, als ich klein war. Ich hab dir geantwortet, bei meinen Eltern, bei Grandma und Grandpa. Darauf meintest du: ›Ich kann mich
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