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Anna, die Schule und der liebe Gott

Anna, die Schule und der liebe Gott

Titel: Anna, die Schule und der liebe Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard David Precht
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vermutlich nicht einmal zwanzig von ihren Gedichten oder Erzählungen. Viele von ihnen würden die Gelegenheit gewiss nutzen, sich in der Schule ein ordentliches Zubrot zu verdienen. Aber auch hier schiebt das Ziffernsystem einen Riegel vor. Wie benotet man ein Gedicht? Wie gesagt, bestimmt noch immer das Notensystem die Aufgabenstellungen und nicht umgekehrt.
    Vieles von dem, was für Deutsch gilt, gilt natürlich ebenso für andere Sprachen. Sie sollten einen großen Raum im Curriculum einnehmen, weil man sie hervorragend gebrauchen kann. Nach Englisch wäre das Spanisch und danach Französisch. Wer ein Faible für Latein oder Griechisch hat, kann sich dies beim Mastery Learning nach Bedarf selbst beibringen. Für alle anderen wäre ein buntes Latein-Griechisch-Projekt vorstellbar, bei dem man neben Geschichte, Kunstgeschichte, Kochrezepten und Philosophie auch die hundert wichtigsten Wörter wie psyche, logos, deus, demos usw. lernt und die wichtigsten Silben wie omn i , poly, mono usw. Altgriechische Grammatik muss man nicht können – wichtige Fremdwörter verstehen dagegen schon.
    Unterrichten im Team
    Um Projekte zu machen, braucht es oft nicht nur einen Lehrer, sondern mehrere, meist aus verschiedenen Fachbereichen. Die Zeit, in der ein Lehrer solo vor einer Klasse stehen muss, weil dies so üblich ist, sollte so schnell wie möglich vorbei sein. Dass man sein Studium allein macht, daran führt kein Weg vorbei. Aber spätestens mit Beginn des Referendariats und dem Besuch der Lehrer-Akademie sollten Lehrer nicht mehr mit ihrer anspruchsvollen Aufgabe allein gelassen werden. Vielmehr sollten sie zum frühestmöglichen Zeitpunkt lernen, mit Kollegen zusammenzuarbeiten, Teams zu bilden, sich zu ergänzen und zu unterstützen. Ein Lehrer, der einen oder mehrere » Problemschüler « in der Klasse hat, kann dann seine Sorgen mit anderen teilen. Und wo er sich früher nicht recht traute, den Kollegen von seinen Schwierigkeiten zu erzählen, wird er in Zukunft von ihnen aufgefangen werden – und zwar sowohl im Unterricht als auch im Lehrerzimmer.
    Teamfähigkeit ist eine der wichtigsten Fertigkeiten, die ein Pädagoge besitzen muss. Denn wie sollen Lehrer, fragt Peter Struck, emeritierter Professor für Erziehungswissenschaft an der Universität Hamburg, » ihre Schüler teamfähig machen, wenn sie selbst nicht teamfähig sind « ? 122 Kinder und Jugendliche lernen bekanntlich weniger das, was man ihnen erzählt und erklärt, als das, was ihnen vorgelebt wird. » Was lernt ein Kind, wenn man es ermahnt? « , hatte schon Heinrich von Kleist gefragt. Die Antwort ist: » Ermahnen! «
    Die Aufgabe von Lehrern ist es, unsere Kinder für das Leben und die Berufswelt fit zu machen, sie nach Kräften zu unterstützen, ihre Potenziale zu entfalten, ihre Neugier und ihr Staunen auf die faszinierende Welt des Wissens zu lenken und sie bei ihren Erfahrungen zu begleiten. Dass sie dem in der Vergangenheit stets entsprochen haben, wird vermutlich niemand sagen. Die Rede ist hier nicht von » schwarzen Schafen « , sondern von der ganz alltäglichen Schulpraxis. Welcher Schüler hat, von der Erfahrung mit einigen wenigen Lehrern abgesehen, allgemein das Gefühl, dass die Lehrer für ihn persönlich da sind und nicht, um ein überpersonales » Klassenziel « zu erreichen?
    Für viele Schüler ist die Schule etwas ihnen Entgegengesetztes und kein natürlicher Freund. Man will etwas von der Schule, nämlich dass man mit ansprechenden Noten irgendwie » durchkommt « , und die Schule will wiederum auch etwas: Jemanden in Hunderten von Klassenarbeiten und Tests immer und immer wieder prüfen und überprüfen, ob er eines solchen Schulabschlusses würdig ist. Ich stelle mir des Ernstes halber einmal vor, ich hätte meinen Mathe- oder Französischlehrer gebeten, doch bitte meine Potenziale zu entfalten und dabei auf meine psychischen Befindlichkeiten und meine Persönlichkeitsstruktur Rücksicht zu nehmen. Meine Lehrer hätten sich an die Stirn getippt und vielsagend in die Klasse gegrinst. Allenfalls hätten sie diese » Potenzialentfaltung « für die Aufgabe eines Nachhilfelehrers gehalten, aber niemals für die ihre. Für was auch immer sie sich gehalten haben mögen, gewiss nicht für Coaches oder Talentscouts. Nicht gegenüber ihren Schülern erfüllten sie ihre Pflicht, als vielmehr gegenüber dem Lehrplan.
    Der Begriff » Coach « ist mehr als nur ein modisches Etikett. Mit einem Coach, etwa im Sport, verbinde ich die

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