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Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition)

Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition)

Titel: Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kendare Blake
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ich Gideon angerufen habe. Gestern Nacht bin ich halb zu Tode geprügelt nach Hause gekommen und dachte schon, sie würde mich in meinem Zimmer einschließen und mich komplett in Rosmarinöl baden. Aber meine Mom vertraut mir. Sie versteht, was ich tun muss, und ich bin ihr dafür dankbar.
    Ich rolle die Biologiearbeit zusammen und klatsche mir das Blatt in die flache Hand.
    »Vielleicht können wir in der Stadtbücherei arbeiten«, schlage ich vor.
    Carmel wirft sich ihren Beutel über die Schulter und lächelt.
    »Nehmt euch noch einen Keks für unterwegs mit«,
drängt Mom. Carmel zögert einen Moment, aber dann nehmen wir beide einen und gehen zur Tür.
    »Du musst ihn nicht essen«, erkläre ich ihr, sobald wir draußen auf der Veranda sind. »Moms Aniskekse sind bestimmt nicht jedermanns Sache.«
    Carmel lacht. »Ich hab einen gegessen, als ich drin war, und ihn kaum herunterbekommen. Sie schmecken wie staubige schwarze Geleebohnen.«
    Ich lächle. »Sag das bloß nicht meiner Mom. Sie hat das Rezept selbst erfunden und ist unheimlich stolz darauf. Die Kekse sollen dir Glück bringen oder so.«
    »Vielleicht sollte ich ihn dann doch essen.« Sie betrachtet ihn eine Weile, dann hebt sie den Blick und starrt aufmerksam meine Wange an. Ich weiß, dass ich dort eine ausgedehnte schwarze Prellung habe. »Du bist ohne uns zu dem Haus gefahren.«
    »Carmel.«
    »Bist du verrückt? Du hättest umkommen können.«
    »Wenn wir alle gegangen wären, dann hätten wir alle umkommen können. Hör mal, bleib lieber bei Thomas und seinem Opa. Sie werden sich etwas ausdenken. Halte dich zurück.«
    Der Wind ist kalt, ein erster Vorbote des Herbstes fährt mir mit eiskalten Fingern durch die Haare. Als ich zur Straße blicke, bemerke ich Thomas’ Tempo – mit einer neuen, andersfarbigen Tür und einem Willy-Wonka-Aufkleber  –, der in unsere Richtung tuckert. Der Junge hat Stil. Ich muss grinsen.
    »Können wir uns in einer Stunde oder so in der Bücherei treffen?«
    Sie folgt meinem Blick und bemerkt Thomas. »Auf gar keinen Fall. Ich muss wissen, was los ist. Wenn du denkst, ich hätte auch nur ein Wort von dem geglaubt, was Morfran und Thomas uns gestern Abend erzählen wollten … Ich bin nicht dumm, Cas. Ich erkenne ein Ablenkungsmanöver, wenn ich es sehe.«
    »Ich weiß, dass du nicht dumm bist, Carmel. Und wenn du so klug bist, wie ich denke, dann hältst du dich heraus und triffst mich in einer Stunde in der Bibliothek.« Ich gehe die Verandatreppe hinunter und mache mit den Händen kleine rollende Bewegungen, damit Thomas gar nicht erst einparkt. Er versteht es und bremst gerade weit genug ab, damit ich die Tür öffnen und hineinspringen kann. Dann fahren wir weg und lassen Carmel stehen, die uns nachstarrt.
    »Was hatte Carmel bei dir zu suchen?« Es klingt ausgesprochen eifersüchtig.
    »Ich brauchte eine Rückenmassage, und dann haben wir noch ein Stündchen gefummelt«, sage ich und knuffe ihn gegen die Schulter. »Thomas, nun hör schon auf. Sie hat mir die Biologieaufgaben gebracht. Wir treffen uns später in der Bibliothek, wenn wir mit deinem Opa gesprochen haben. Erzähl mir, was gestern Abend passiert ist.«
    »Sie mag dich wirklich.«
    »Ja, aber du magst sie noch mehr«, antworte ich. »Also, was ist passiert?« Er versucht, mir zu glauben, dass ich nicht an Carmel interessiert bin und außerdem ein guter Freund, der seine Gefühle für sie respektiert. Seltsamerweise trifft beides zu.
    Schließlich seufzt er. »Wir haben sie herrlich in die Irre geführt. Es war großartig. Wir haben sie sogar überzeugt, dass sie nicht im Schlaf angegriffen werden, wenn sie sich Säckchen mit Schwefel über die Betten hängen.«
    »Mein Gott, übertreib es nicht so. Wir müssen sie einfach nur beschäftigen.«
    »Keine Sorge. Morfran zieht eine tolle Show ab. Er hat blaue Flammen heraufbeschworen und ihnen eine Trance vorgespielt und so weiter. Er hat ihnen eingeredet, er werde an einem Bannspruch arbeiten, müsse aber das Licht des nächsten Vollmonds verwenden, wenn er wirken soll. Ist das genug Zeit?«
    Normalerweise hätte ich das bejaht. Immerhin muss ich Anna nicht finden. Ich weiß, wo sie ist.
    »Ich bin nicht sicher«, gestehe ich. »Ich war gestern Abend da, und sie hat mich durch das ganze Zimmer geschleudert.«
    »Was wirst du jetzt tun?«
    »Ich habe mit einem Freund meines Vaters gesprochen. Er sagt, wir müssen herausfinden, woher sie diese enormen Kräfte hat. Kennst du zufällig einen Hexer?«
    Er

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