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Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition)

Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition)

Titel: Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kendare Blake
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Monster. Eine Mörderin. Aber aus irgendeinem Grund hat sie mich trotzdem verschont. Vorsichtig fahre ich mit dem Finger über ihre Haare, die mit einem Band zusammengehalten werden. In der Brust habe ich ein warmes Gefühl, aber mein Kopf ist eiskalt. Ich fürchte, gleich ohnmächtig zu werden.
    »He, Mann«, sagt Thomas und schüttelt mich leicht an der Schulter. »Was ist denn los?«
    »Äh«, gurgele ich. Ich bin verwirrt und weiß nicht, was ich antworten soll. Um etwas Zeit zu gewinnen, wende ich den Blick ab und entdecke dabei etwas, das mich unwillkürlich die Zähne zusammenbeißen lässt. Am Empfangstisch stehen zwei Polizisten.
    Es wäre dumm, etwas zu Carmel und Thomas zu sagen. Sie würden sich sofort umdrehen, und das würde sehr verdächtig aussehen. Also warte ich einfach und reiße heimlich Annas Nachruf aus der spröden Zeitung.
    »Hey, das kannst du nicht machen!« Ich höre nicht auf Carmels gezischelten Einwand und schiebe mir den Fetzen in die Tasche. Dann verstecke ich die Zeitung
unter den Büchern und Schultaschen und deute auf die Abbildung eines Tintenfisches. »Habt ihr eine Ahnung, wo der hineinpasst?« Sie starren mich an, als hätte ich den Verstand verloren. Das ist gut, weil sich die Bibliothekarin gerade umdreht und in unsere Richtung zeigt. Die Cops kommen zu uns, wie ich es erwartet habe.
    »Was redest du da?«, fragt Carmel.
    »Ich rede über den Tintenfisch«, erwidere ich freundlich. »Und ich sage dir, dass du gleich überrascht, aber nicht zu überrascht aussehen sollst.«
    Bevor sie weiterfragen kann, ist der Lärm zweier trampelnder Männer, die Handschellen, Taschenlampen und Feuerwaffen tragen, laut genug, um sich unbefangen umdrehen zu können. Carmels Gesicht kann ich nicht erkennen, aber ich hoffe, sie wirkt nicht so schuldbewusst wie Thomas. Ich schubse ihn leicht, worauf er schluckt und sich zusammenreißt.
    »Hallo«, grüßt der erste Cop lächelnd. Er ist ein stämmiger, freundlicher Mann und ungefähr zehn Zentimeter kleiner als Carmel und ich. Das gleicht er aus, indem er Thomas tief in die Augen blickt. »Lernt ihr für die Schule?«
    »J-ja«, stottert Thomas. »Was ist denn los, Officer?«
    Der andere Cop sieht sich auf unserem Tisch um und betrachtet die aufgeschlagenen Lehrbücher. Er ist größer und schlanker als sein Partner, hat eine großporige Hakennase und ein kleines Kinn. Er ist potthässlich, aber hoffentlich nicht bösartig.
    »Ich bin Officer Roebuck«, stellt sich der Freundliche
vor. »Das hier ist Officer Davis. Können wir euch ein paar Fragen stellen?«
    Wir zucken fast gleichzeitig mit den Achseln.
    »Ihr kennt doch alle einen gewissen Mike Andover?«
    »Ja«, sagt Carmel.
    »Ja«, bestätigt Thomas.
    »Nicht sehr gut«, antworte ich. »Wir kennen uns erst seit ein paar Tagen.« Verdammt, ist das unangenehm. Mir steht der Schweiß auf der Stirn, und ich kann nichts dagegen tun. In so einer Situation war ich noch nie. Ich habe noch nie zum Tod eines Menschen beigetragen.
    »Wisst ihr schon, dass er verschwunden ist?« Roebuck betrachtet uns genau. Thomas nickt nur, ich folge seinem Beispiel.
    »Haben Sie ihn gefunden?«, will Carmel wissen. »Geht es ihm gut?«
    »Nein, wir haben ihn nicht gefunden, aber nach den Angaben einiger Augenzeugen gehört ihr zwei zu den Letzten, die ihn gesehen haben. Könntet ihr uns bitte erklären, was passiert ist?«
    »Mike wollte nicht auf der Party bleiben«, erzählt Carmel unbefangen. »Wir sind weggefahren, um den Rest des Abends woanders zu verbringen. Wir wussten aber nicht wo. Will Rosenberg ist gefahren. Wir waren auf ein paar Nebenstraßen in der Nähe von Dawson unterwegs. Irgendwann hat Will angehalten, und Mike ist ausgestiegen.«
    »Er ist einfach ausgestiegen?«
    »Er war sauer, weil ich mit Carmel rumgehangen
habe«, werfe ich ein. »Will und Chase waren nett und wollten ihn beruhigen, aber er hat sich nicht darauf eingelassen und gesagt, dass er zu Fuß nach Hause läuft. Er wollte allein sein.«
    »Ihr seid euch doch darüber im Klaren, dass Mike Andover mindestens fünfzehn Kilometer von dieser Stelle entfernt wohnt?«, bemerkt Officer Roebuck.
    »Nein, das wusste ich nicht«, antworte ich.
    »Wir wollten ihn ja aufhalten«, erklärt Carmel, »aber er wollte einfach nicht hören. Also sind wir weitergefahren. Ich dachte, er wird schon noch anrufen, damit wir ihn abholen, aber das hat er nicht gemacht.« Mich beunruhigt, wie mühelos ihr die Lüge über die Lippen kommt, aber das erklärt

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