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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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Kinder zusammen schlafen gegangen waren und oft nur darauf gewartet hatten, daß Fjodor Bogdanütsch aus der Tür ging, um sich wechselseitig mit den Kissen zu werfen und zu lachen, unbändig zu lachen, so daß selbst die Furcht vor Fjodor Bogdanütsch diese überströmende, überschäumende Lebensfreude nicht hatte hemmen können. ›Und jetzt diese verkrümmte, hohle Brust ... und ich, der ich nicht weiß, wozu ich da bin, und was aus mir werden wird ...‹
     
    »Kcha! Kcha! Zum Teufel, was treibst du denn da? Warum schläfst du nicht?« rief ihm sein Bruder zu.
     
    »Ich habe weiter nichts Besonderes; ich weiß nicht, ich kann nicht schlafen.«
     
    »Aber ich habe gut geschlafen; ich schwitze jetzt gar nicht mehr. Überzeuge dich selbst; fühle nur mal mein Hemd! Nicht wahr, es ist gar nicht feucht?«
     
    Konstantin befühlte das Hemd, ging dann wieder hinter den Wandschirm zurück und löschte das Licht aus; aber er konnte lange nicht einschlafen. Nun war er erst vor kurzem mit sich einigermaßen über die Frage ins klare gekommen, wie er leben müsse, und schon trat ihm eine neue, unlösbare Frage entgegen: der Tod.
     
    ›Er ist schon im Dahinsterben; im Frühjahr wird es mit ihm zu Ende sein; wie soll ich ihm helfen? Was kann ich zu ihm sagen? Was weiß ich über den Tod? Ich hatte ja sogar vergessen, daß es einen Tod gibt.‹
     

32
     
    K onstantin Ljewin hatte schon längst die Beobachtung gemacht, daß, wenn Leute einem den Verkehr mit ihnen durch übermäßige Nachgiebigkeit und Unterwürfigkeit unbehaglich gestalten, sie ihn einem sehr bald unerträglich machen durch übermäßige Ansprüche und Händelsucht. Er ahnte, daß es auch mit seinem Bruder so kommen werde. Und in der Tat dauerte die Sanftmut seines Bruders Nikolai nicht lange. Gleich am nächsten Morgen zeigte er sich reizbar und suchte geflissentlich Streit mit Konstantin, indem er dessen wundeste Punkte berührte.
     
    Konstantin fühlte sich schuldig, ohne doch an der Sache etwas bessern zu können. Er wußte: wenn sie sich beide nicht verstellen, sondern ihre wahre Herzensempfindung aussprechen wollten, das heißt nur das, was sie wirklich dachten und fühlten, dann würden sie nur einer dem andern in die Augen sehen, und er, Konstantin, würde nur sagen: ›Du wirst sterben, du wirst sterben!‹ und Nikolai würde nur antworten: ›Ich weiß, daß ich sterben werde; aber ich fürchte mich davor, ich fürchte mich, ich fürchte mich.‹ Und weiter würden sie nichts sagen, wenn sie eben nur ihre Herzensempfindung aussprechen wollten. Aber in dieser Weise konnten sie natürlich nicht nebeneinander leben, und daher versuchte Konstantin zu tun, was er sein ganzes Leben lang zu tun versucht und nicht fertiggebracht hatte, was aber nach seiner Beobachtung viele Leute so ausgezeichnet verstanden und was im Leben geradezu eine Notwendigkeit ist: er gab sich Mühe, etwas anderes zu sagen, als was er dachte, und hatte dabei fortwährend die Empfindung, daß er den Eindruck der Unaufrichtigkeit mache, daß sein Bruder ihn durchschaue und darüber in gereizte Stimmung komme.
     
    Am dritten Tage forderte Nikolai seinen Bruder auf, ihm nochmals seinen Plan vorzutragen, und verurteilte diesen Plan nicht nur als ganz verfehlt, sondern warf ihn auch absichtlich in einen Topf mit dem Kommunismus.
     
    »Du hast lediglich einen fremden Gedanken aufgegriffen; aber du hast ihn verhunzt und willst ihn auf einem Gebiete anwenden, wo er gar nicht hinpaßt.«
     
    »Aber ich sage dir ja, daß mein Unternehmen mit dem Sozialismus nichts gemein hat. Die Sozialisten leugnen die Berechtigung des Eigentums, des Kapitals, der Erbfolge; ich aber verwerfe diesen wichtigsten Ansporn menschlicher Tätigkeit nicht (es war ihm selbst widerwärtig, daß er solche Ausdrücke gebrauchte; aber seit er sich so eifrig der Arbeit an seiner Abhandlung widmete, hatte er unwillkürlich angefangen, immer häufiger nichtrussische Worte zu verwenden), ich will nur die Arbeit regeln.«
     
    »Das ist es eben; du hast einen fremden Gedanken aufgegriffen, ihm alles das genommen, was seine eigentliche Kraft ausmacht, und möchtest einem nun einreden, das sei etwas Neues«, versetzte Nikolai und zerrte ärgerlich an seiner Krawatte.
     
    »Aber mein Gedanke hat ja gar nichts gemein ...«
     
    »Beim Kommunismus«, fuhr Nikolai mit ironischem Lächeln fort, und seine Augen blitzten dabei recht boshaft, »beim Kommunismus kann man wenigstens an dem Reize der Klarheit und Zweifellosigkeit

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