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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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Freude erschien ihm noch besonders wichtig durch ihr Zusammenfallen mit der Freude des armen Beamten und mit seiner eigenen Freude darüber, daß Spielzeug für ihn abgegeben war. Sergei hatte die Empfindung, als sei heute ein Tag, an dem alle Menschen froh und vergnügt sein müßten.
     
    »Weißt du schon, daß Papa den Alexander-Newski-Orden bekommen hat?«
     
    »Wie werde ich das nicht wissen! Es sind doch schon Gratulanten gekommen.«
     
    »Nun, und hat er sich darüber gefreut?«
     
    »Wie sollte er sich über eine solche Gnade des Zaren nicht freuen? Ohne Zweifel hat er sie verdient«, sagte der Pförtner ernst und würdevoll.
     
    Sergei wurde nachdenklich und betrachtete das ihm bis auf die geringsten Einzelheiten genau bekannte Gesicht des Pförtners, namentlich das Kinn, das zwischen den beiden Hälften des grauen Backenbartes herunterhing und das außer Sergei, der immer nur von unten zu ihm hinaufsah, noch niemand zu sehen bekommen hatte.
     
    »Nun, deine Tochter hat dich wohl schon lange nicht besucht?« Die Tochter des Pförtners war Ballett-Tänzerin.
     
    »An Wochentagen kann sie ja doch nicht kommen. Die haben auch ihren Unterricht. Und Sie haben auch Ihren Unterricht, junger Herr, gehen Sie jetzt nur!«
     
    Als Sergei in sein Zimmer gekommen war, teilte er, statt sich hinzusetzen und seine Aufgaben zu lernen, dem Hofmeister seine Vermutung mit, daß das, was für ihn gebracht wäre, gewiß eine Maschine sei. »Meinen Sie nicht auch?« fragte er.
     
    Aber Wasili Lukitsch dachte jetzt nur daran, daß Sergei seine Aufgaben aus der Grammatik für den Lehrer lernen müsse, der um zwei Uhr kommen werde.
     
    »Nein, Wasili Lukitsch, sagen Sie mir nur noch«, fragte Sergei plötzlich, als er schon am Arbeitstische saß und das Buch in der Hand hatte, »was ist höher als der Alexander Newski? Sie wissen doch, daß Papa den Alexander Newski bekommen hat?«
     
    Wasili Lukitsch antwortete, höher als der Alexander-Newski- sei der Wladimirorden.
     
    »Und noch höher?«
     
    »Der höchste ist der Andreasorden.«
     
    »Und noch höher als der Andreasorden?«
     
    »Da weiß ich keinen mehr.«
     
    »Ach, da wissen Sie auch keinen mehr?« Sergei stützte die Ellbogen auf den Tisch, legte den Kopf auf die Hände und vertiefte sich in seine Gedanken.
     
    Diese Gedanken waren sehr wirr und buntscheckig. Er stellte sich vor, wie es sein würde, wenn sein Vater jetzt auch gleich den Wladimir- und den Andreasorden bekäme; dann würde er heute in der Unterrichtsstunde viel freundlicher sein. Und wenn er selbst erst groß sein würde, dann würde er alle Orden bekommen, auch die, die noch über dem Andreasorden erfunden würden. Sobald einer erfunden würde, wollte er ihn sich auch verdienen. Und so würden die Leute immer höhere Orden erfinden, und er würde sie immer gleich verdienen.
     
    Über solchen Gedanken verging die Zeit, und als der Lehrer kam, hatte Sergei seine Aufgaben über die Umstandswörter der Zeit, des Ortes und der Art und Weise noch nicht inne, und der Lehrer war nicht nur unzufrieden, sondern auch betrübt. Die Betrübnis des Lehrers ging dem Knaben zu Herzen; aber daß er die Aufgaben nicht ordentlich konnte, in dieser Hinsicht fühlte er sich nicht eigentlich schuldig. Trotz aller Bemühung brachte er das ganz und gar nicht fertig; solange der Lehrer es ihm erklärte, war ihm alles glaublich und einigermaßen verständlich; aber sobald er dann allein war, konnte er sich schlechterdings nicht erinnern und nicht begreifen, wie das kurze und so verständliche Wort »plötzlich« ein Umstandswort der Art und Weise sein sollte; aber trotzdem tat es ihm leid, daß er den Lehrer betrübt hatte.
     
    Er benutzte einen Augenblick, wo der Lehrer schweigend in das Buch sah.
     
    »Michail Iwanowitsch, wann ist denn Ihr Namenstag?« fragte er unvermittelt.
     
    »Sie sollten lieber an Ihre Arbeit denken. Namenstage haben für vernünftige Menschen gar keine Bedeutung. Ein Namenstag ist ein Tag wie jeder andere, und man muß an ihm ebenso arbeiten wie an anderen Tagen.«
     
    Sergei sah seinen Lehrer aufmerksam an, das dünne Bärtchen, die Brille, die von der Nasenwurzel etwas tiefer herabgerutscht war, und geriet in seine Gedanken hinein, daß er nichts mehr von dem hörte, was ihm der Lehrer erklärte. Er hatte recht wohl gemerkt, daß der Lehrer bei der Antwort auf die Frage nach dem Namenstage nicht so gesprochen hatte, wie er wirklich dachte; er hatte das am Ton gespürt, in dem der

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