Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)
Verkehr mit ihr zeigten.
»Oh, sehr gut«, versetzte Kitty lächelnd. »Und wie steht es bei dir?«
»Auf so einen neuen Getreidewagen kann dreimal soviel aufgeladen werden wie auf einen gewöhnlichen Bauernwagen. Wollen wir nun hinfahren und die Kinder zurückholen? Ich habe anspannen lassen.«
»Du willst doch nicht Kitty in dem Break fahren lassen?« fragte die Mutter vorwurfsvoll.
»Wir fahren ja Schritt, Fürstin.«
Ljewin nannte die Fürstin nie maman, wie es andere Schwiegersöhne tun, und das war der Fürstin unangenehm. Aber obwohl Ljewin die Fürstin sehr gern hatte und hochschätzte, so konnte er sie doch nicht so nennen, ohne seine Empfindung gegen seine verstorbene Mutter zu verletzen.
»Fahren Sie doch mit uns, maman«, sagte Kitty.
»Solche Unvernunft mag ich nicht mit ansehen.«
»Nun, dann gehe ich zu Fuß. Das ist mir ja gesund.« Kitty stand auf, trat zu ihrem Manne hin und faßte ihn bei der Hand.
»Gesund ist es schon; aber alles mit Maß und Vernunft«, versetzte die Fürstin.
»Nun, wie steht's, Agafja Michailowna, ist das Eingemachte fertig?« fragte Ljewin und lächelte der Alten zu, um sie aufzuheitern. »Ist es auf die neue Art gut geworden?«
»Es wird ja wohl gut sein. Nach unserer Auffassung ist es zu sehr eingekocht.«
»Es ist sogar besser so, Agafja Michailowna. Es wird auf diese Art nicht sauer, und unser Eis ist uns doch jetzt schon geschmolzen, so daß wir das Eingemachte nirgends sicher aufbewahren können«, sagte Kitty, die die Absicht ihres Mannes sofort verstanden hatte und sich aus derselben Empfindung heraus an die alte Frau wandte. »Aber dafür ist auch alles, was Sie eingepökelt haben, so wunderschön, daß Mama sagt, so etwas Schönes hätte sie noch nirgends gegessen«, fügte sie lächelnd hinzu und brachte ihr das Halstuch in Ordnung.
Agafja Michailowna warf der jungen Frau einen zornigen Blick zu.
»Zu trösten brauchen Sie mich nicht, gnädige Frau. Aber wenn ich Sie und ihn ansehe, dann wird mir gleich wieder wohl ums Herz«, sagte sie, und dieser naturwüchsige Ausdruck »und ihn« statt »und Konstantin Dmitrijewitsch« hatte für Kitty etwas Rührendes.
»Fahren Sie mit uns Pilze suchen. Sie können uns die guten Stellen zeigen.«
Agafja Michailowna lächelte und schüttelte den Kopf, als wenn sie sagen wollte: ›Ich möchte Ihnen gern böse sein, aber ich bekomme es nicht fertig.‹
»Bitte, folgen Sie nur meinem Rat«, sagte die alte Fürstin; »legen Sie über das Eingemachte ein Blatt Papier und feuchten Sie es mit Rum an, dann wird es auch ohne Eis nie schimmelig werden.«
3
K itty freute sich besonders über die Gelegenheit, mit ihrem Manne unter vier Augen zu sein; denn es war ihr nicht entgangen, daß über sein Gesicht, das immer alle seine Empfindungen so lebendig widerspiegelte, ein Schatten des Verdrusses gelaufen war, als er vorhin auf die Terrasse gekommen war und gefragt hatte, wovon sie sprächen, und keine Antwort erhalten hatte.
Sie gingen den andern, die den Wagen benutzen wollten, zu Fuß voraus, und als sie nun aus der Sehweite des Hauses heraus auf die glattgefahrene, staubige, mit Roggenähren und Körnern bestreute Straße gelangt waren, da stützte sie sich fester auf seinen Arm und schmiegte sich an ihn. Den augenblicklichen unangenehmen Eindruck hatte er schon wieder vergessen, und allein mit ihr, empfand er jetzt, wo der Gedanke an ihre Schwangerschaft ihn auch nicht einen Augenblick verließ, jenes ihm noch neue, freudige, von aller Sinnlichkeit reine Wonnegefühl über die Nähe des geliebten Weibes. Zu sagen hatte er ihr nichts; aber er wollte gern den Ton ihrer Stimme hören, der sich ebenso wie ihr Blick jetzt bei der Schwangerschaft verändert hatte. In ihrer Stimme und in ihrem Blick lag jene Weichheit und jener Ernst, wie sie Menschen eigen sind, deren Denken sich beständig auf ein und denselben geliebten Gegenstand richtet.
»Wirst du auch nicht müde werden? Stütze dich nur recht fest auf mich«, sagte er.
»Nein, ich freue mich so, daß ich einmal ein Weilchen mit dir allein bin, und ich muß gestehen, so angenehm mir auch das Zusammensein mit ihnen allen ist, so denke ich doch mit Sehnsucht an unsere Winterabende, wo wir beide still zusammensaßen.«
»Damals war es schön, und jetzt ist es noch besser. Beides ist wunderschön«, sagte er und drückte ihren Arm an sich.
»Weißt du, wovon wir
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